Dr. Jacobs Institut

ganzheitlich wissenschaftlich

Granatapfel

Review: Der Granatapfel in der Prävention und adjuvanten Ernährungstherapie bei Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen

Dr. med. Ludwig Manfred Jacob

Inhalt

  • Übersicht
  • Traditionelle Wirkung
  • Die Wirkungen des Granatapfels und seiner Bestandteile
  • Anti-oxidative Wirkung
  • Anti-entzündliche Wirkung   
    • Immunmodulation, rheumatoide Arthritis
  • Anti-arteriosklerotische Wirkung
    • Zusammenfassung der anti-arteriosklerotischen Mechanismen
    • Warum Granatapfelsaft für Diabetiker gesund ist
  • Anti-cancerogene Wirkung
  • Vervierfachung der PSA Verdopplungszeit
  • Prostatakrebs
  • Wirkung auf andere Krebsarten
  • Erhebliche Response-Unterschiede aufgrund der Bioverfügbarkeit
  • Östrogene und antiöstrogene Wirkungen
  • Durch Lebendfermentation lassen sich Bioverfügbarkeit und Bioaktivität steigern
  • Wirkung beim hormonrefraktären Prostatakarzinom
  • Hemmung der Androgen-Rezeptor-Expression und Androgensynthese
  • Wirkung auf Zellsignalwege, Genexpression und Genregulation
  • Tumorzellinvasion
  • Neoangiogenese
  • Konzentrationssteigerung von NO und reduziertem L-Glutathion (GSH)
  • Bindung potentiell prokanzerogener Metalle
  • Hemmung der Zytochrom-P450-Enzyme als chemopräventiver Mechanismus
  • Zytochrom-Hemmung und potenzielle Arzneimittelinteraktionen
  • Mögliche Steigerung des antiproliferativen und Östrogenrezeptor-ß-Agonisten 3ß-Adiol durch CYP-7B1-Hemmung
  • Anti-cancerogene Wirkung durch besondere Monosubstanzen oder die Synergie aller Inhaltsstoffe im Saft?
  • Bioverfügbarkeit – sind fermentierte Granatapfelpolyphenole bioaktiver?
  • Überblick der Anti-Krebs-Wirkungen
  • Konsequenzen für die ärztliche Praxis
Zusammenfassung

Der Granatapfel ist eine der ältesten Kultur- und Gesundheitsfrüchte der Menschheit. Doch in den Blickpunkt der Forschung ist der Granatapfel erst in letzten 7 Jahren gerückt. Weit über 200 Veröffentlichungen mit Peer Review sind bislang erschienen. In vitro, in vivo und in klinischen Studien werden dem Granatapfelsaft dabei überzeugende anti-oxidative, anti-inflammatorische, anti-arteriosklerotische und anti-cancerogene Wirkungen nachgewiesen.

In einer klinischen Studie mit 48 Prostatakrebs-Patienten zeigte sich u. a. eine Vervierfachung der PSA-Verdoppelungszeit. Neueste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Granatapfelpolyphenole auch im schwer therapierbaren, hormonrefraktären Stadium des Prostatakarzinoms wirksam sein könnten, indem sie dort die Überexpression des Androgenrezeptors und Androgen-synthetisierender Enzyme deutlich drosseln. Andere Studien wiesen dem Granatapfelsaft eine ausgeprägte wachstumshemmende Wirkung gegen Lungen-, Darm-, Haut- und Brustkrebs nach. Der auch für Diabetiker gesunde Saft verbesserte deutlich die Myokarddurchblutung bei KHK-Patienten und reduzierte arteriosklerotische Ablagerungen in der Karotis. Er hemmt Entzündungsprozesse (über NF-kappa-B und TNF-alpha) und die Entwicklung von Alzheimer-Demenz. Hierfür verantwortlich scheinen nicht bestimmte isolierte Verbindungen zu sein, sondern die Synergie aller natürlichen Inhaltsstoffe der Frucht. Diese modulieren Zellsignalwege sowie epigenetisch die Genexpression und -regulation. In der Krebshemmung zeigen Granatapfelsaft und fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole eine deutlich höhere Wirksamkeit als isolierte Verbindungen wie Punicalagin, Ellagsäure oder handelsüblichen tanninreichen Granatapfel-Extrakte. Durch die Fermentation scheint sich Bioverfügbarkeit und Bioaktivität der Granatapfel-Polyphenole zu verbessern.

Schlüsselwörter: Granatapfel, Arteriosklerose, Krebs, Immunmodulation von Entzündungsprozessen

Überblick der in Studien nachgewiesenen Wirkungen des Granatapfels:

Vorbeugung und Therapie von  Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Phase-2-Studie mit KHK-Patienten,  Sumner et al., 2005)

  • Reduktion von arteriosklerotischen  Gefäßablagerungen und Bluthochdruck (Phase-2-Studie an  Patienten mit Karotisstenose, Aviram et al., 2004)
  • anti-atherogene und cholesterinsenkende  Wirkung bei Diabetikern (ohne Einfluss auf HbA1c und Blutzucker) in  klinischen Studien (Rosenblat et al., 2004; Rozenberg et al., 2006;  Esmaillzadeh et al., 2006)
  • Erhöhung des Gesamt-Antioxidantien-Status  und antioxidativer Schutz für Herz, Gefäße und  Gehirn (z. B. Aviram et al., 2000 und 2004; Loren et al., 2005;  Azadzoi et al., 2005)
  • Chemoprävention und adjuvante  Ernährungstherapie von Krebs mit anti-angiogenetischen,  anti-proliferativen und pro-apoptotischen Effekten auf Tumorgewebe  (nachgewiesen in vitro und in vivo für Prostata-, Brust-,  Kolon- und Lungenkarzinom) und Hemmung von Krebswachstum,  Tumorgefäßneubildung und Tumorausbreitung (nachgewiesen  in vitro und in vivo für Prostata-, Brust-, Kolon- und  Lungenkarzinom sowie Phase 2-Studie mit Prostatakrebs-Patienten (z.  B. Kim et al., 2002; Toi et al., 2003; Albrecht et al., 2004; Kawaii  and Lansky, 2004; Seeram et al., 2004 und 2005; Larrosa et al.  2005 Lansky et al., 2005-I und II, Malik et al, 2005; Afaq et  al., 2005 I und II; Pantuck et al., 2006, Syed et al., 2006, Khan,  2007-I und II)
  • anti-entzündliche Wirkung durch Hemmung  von NFkappaB, TNF-alpha und COX-2 sowie pro-entzündlichen  Enzymen (Metalloproteasen), insbesondere auch bei rheumatoider  Arthritis (Khan et al., 2007-I und II, Sved et al., 2006; Huang et  al., 2005; Ahmed et al., 2005; Afaq et al., 2005-I und II; Schubert  et al., 1999 und 2002).
Traditionelle Wirkung

Der aus den Mythen vieler alter Kulturvölker bekannte Granatapfel, altdeutsch auch als Paradiesapfel bekannt, soll schon im Garten Eden beheimatet gewesen sein. Im Orient gilt die „Frucht des Paradieses“ noch heute als Symbol der Unsterblichkeit und Fruchtbarkeit. Im Mittelalter schmückte er zahlreiche europäische Ärztewappen und stellte ein zentrales Symbol des Christentums dar. Heute gilt in den USA sein aromatischer Saft als Gesundheitssaft des Jahrzehntes.

Vom Mittleren Osten bis Indien und China, vom Mittelmeer bis in die neue Welt (Kalifornien, Mexiko) zieht sich heute das Verbreitungsgebiet des Granatapfels, der weltweit in über 1000 verschiedenen Sorten wächst (Levin, 1994). Die heilenden und adstringierenden Eigenschaften des Granatapfels sind seit Alters her bekannt und ließen ihn zu einem beliebten Mittel der überlieferten Heilkunde werden. Im Ayurveda wird der Granatapfel wegen seiner kühlenden (= Anti-Pitta = anti-entzündlichen) Wirkung geschätzt. Sein Saft gilt als Erfrischungsgetränk und Bluttonikum (Lad and Frawley, 1986). Tatsächlich dürfte die wissenschaftlich nachweisbare anti-entzündliche Wirkung des Saftes auch für seine hohe Wirksamkeit gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs eine zentrale Rolle spielen.

Die Granatapfelschalen werden von vielen Völkern eingesetzt gegen Durchfall, Ulzera, Parodontose, Aphten und Racheninfektionen (Nagaraju and Rao, 1990; Boukef et al., 1982; Caceres et al., 1987). Die Rinde, Wurzeln und zum Teil auch die Schalen wurden gegen Darmparasiten, insbesondere Bandwürmer, und Amöbenruhr verwendet. Die Blüten wurden in Persien zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ II verwendet (Saxena and Vikram, 2004). Die Wirksamkeit dieser Anwendungen ist heute wissenschaftlich nachgewiesen, wenn auch die Nachahmung (Rinde und Wurzel sind toxisch) nicht immer empfehlenswert ist.

Die Wirkungen des Granatapfels und seiner Bestandteile

Die verschiedenen Teile des Granatapfels erfüllen bestimmte Funktionen, die oft bereits die medizinische Wirkung erklären: der an aktiven Pflanzenhormonen reiche Same dient der Fortpflanzung der Frucht, die mit antimikrobiellen und antioxidativen Stoffen reiche Schale schützt die Frucht vor Fraßfeinden und Lichtschäden, das in seiner Zusammensetzung ausgewogene, an ernährungstypischen Polyphenolen reiche Fruchtmark dient der gesunden Ernährung.

Zu den sekundären Pflanzenstoffen des Granatapfels gehören organische Säuren (vor allem Citronensäure), besondere Zucker-Polyphenol-Komplexe, Ellagitannine (Gerbstoffe wie vor allem Punicalagin), Flavonoide (wie ECGC, Catechin, Quercetin, Rutin) sowie Anthocyane in Zuckerbindung (Delphidin, Cyanidin, Pelargonidin etc.). Die Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, die aus der Gruppe der Phenolsäuren (Chlorogensäure, Kaffeesäure, Ellagsäure) und der Flavonoide (Phenylchromanderivate) bestehen. Flavonoide sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts durch den Nobelpreisträger Albert von Szent-Györgyi Nagyrapolt entdeckt und zunächst als Vitamin P bezeichnet wurden. Anthocyane sind eine Untergruppe der Flavonoide und sorgen für die rote, violette, blaue oder blauschwarze Färbung der Früchte und Pflanzen. Die Stoffgruppe der Anthocyane selbst lässt sich in die Zucker-freien Anthocyanidine (Aglykone) und die Anthocyane (Glykoside) unterteilen. Das zunehmende Interesse an Polyphenolen resultiert aus verschiedenen in vivo und in vitro Studien, in denen u. a. antikanzerogene, antimutagene, antioxidative, antivirale, antiproliferative, antithrombotische und lipidsenkende Effekte nachgewiesen wurden.

PflanzenteilVerbindungenTraditionelle AnwendungWirkungsweise
Fruchtsaft/
Mark
Ellagitannine (z. B. Punicalagin)
Phenolsäuren
(z.B. Kaffeesäure)
Flavonoide (z. B. Quercetin, Rutin, Kaempferol)
Katechine
Anthocyane
Ellagsäure
Bluttonikum
anti-entzündlich,
kühlend und erfrischend
anti-oxidativ
anti-entzündlich
anti-cancerogen
anti-arteriosklerotisch
anti-östrogen
SchaleEllagitannine, Flavonoide Ellagsäure, Anthocyanidine (zuckerfrei), Spuren von PelletierinenUlcus, Durchfall, Darminfektion, Paradontose, Aphtenadstringent
anti-oxidativ
anti-mikrobiell
Anti-Malaria-Wirkung
SamenEllagsäure, Punicinsäure
Fraglich: Estradiol, Testosteron, Estriol
Empfängnisverhütung, Menopause, verhindert Abort des Embryoöstrogen
anti-östrogen
BlütenAsiatsäure, Maslinsäure, Ursolsäure, EllagsäureDiabetesanti-diabetogen durch Insulinsensitizer und alpha-Glucosidase Wirkung
BlätterApigenin, LuteolinGestagen-ähnlich, anxiolytisch
anti-cancerogen
Rinde/WurzelEllagitannine, Alkaloide wie PelletierineWurmkuren
Todesfälle bekannt
neurotoxisch (Pelletierine)
Saft und Mark

Der Saft wird durch Pressung aus dem essbaren, die Samen umgebenden Mark des Granatapfels gewonnen. Saft und Mark enthalten wasserlösliche Ellagitannine, Anthocyane in Zuckerbindung und Flavonoide und sind im täglichen Verzehr seit Jahrtausenden erprobt. Sämtliche klinischen Studien am Menschen wurden mit dem Saft durchgeführt. Die Polyphenole in Saft und Schalen unterscheiden sich in Bezug auf Zusammensetzung und wohl auch Bioverfügbarkeit, Metabolisierung und Zelleinschleusung.

Die Frage, auf welchem Wege, in welcher chemischen Verbindung und in welcher Konzentration die verzehrten Polyphenole letztlich über Darm, Leber und Blut die Zelle und ein Zielgewebe erreichen, ist bisher nur sehr unvollständig geklärt (Manach, 2004). In Darm (Darmflora) und Leber werden die Polyphenole einer intensiven chemischen Transformation ausgesetzt (Hydrolyse, Methylierung, Sulfatierung und Glukuronidierung), bevor sie ihr Zielgewebe über das Blut erreichen. In Studien zeigte der Granatapfelsaft eine wesentlich bessere anti-cancerogene Wirkung auf Dickdarmkrebszellen zeigte als Polyphenol-Konzentrate aus der Schale (Adams et al, 2006; Seeram et al., 2005).

Schale

Als ein altes Arzneimittel gegen leichten und schweren Durchfall sowie Leukorrhöe (lokale Applikation) fand und findet die Schale Anwendung. Die konzentrierten Ellagitannine aus der Granatapfelschale zeigen auch eine besondere Wirkung gegen bestimmte Keime und Malaria-Erreger (Reddy et al., 2007).

Die bei der Schälung und bei der Saftpressung anfallenden Reste (Schalen) sind reich an bitteren Ellagitanninen und werden als Rohstoffe für Granatapfel-Extrakte genutzt. Diese sind an ihrem bitteren Geschmack und durch Oxidationsprozesse bräunlichen Farbe erkennbar. Durch die Hitzetrockung der Extrakte liegen die Polyphenole hier in hochpolymerisierter Form mit zweifelhafter Bioverfügbarkeit vor. Während Schalen in Spuren sicherlich unbedenklich und der Gesundheit zuträglich sein mögen, ist die Auswirkung des täglichen Verzehrs konzentrierter Mengen solcher Schalenpolyphenole beim Menschen noch zu klären.

In einer spanischen Studie wurden Ratten 37 Tage lang extrem hohe Dosen des wichtigsten Granatapfel-Ellagitannin Punicalagin verabreicht, die dem Konsum von ca. 194 l Granatapfelsaft beim Menschen (Körpergewicht 70kg) entsprechen würde. In der histopathologischen Untersuchung ergaben sich keine Hinweise auf eine Leber- oder Nierentoxizität (Cerdá et al., 2003).

Die Samen

des Granatapfels gelten als reich an aktiven Pflanzenhormonen. In einer Untersuchung von Wahab (1997) wurden Estradiol, Estriol, Testosteron, beta-Sitosterol und Stigmasterol identifiziert. In einer aktuellen Studie der koreanischen Food and Drug Administration (Choi, 2006) wurde kein Estradiol, Estriol oder Testosteron nachgewiesen. Die Ergebnisse früherer Analysen wurden auf östrogen-artige Effekte des Granatapfels und Fehldeutungen der Analyseergebnisse zurückgeführt.

Granatapfelsamenöl

zeigt in Zellkulturen bemerkenswerte Synergieeffekte mit fermentierten Granatapfelsaft-Polyphenolen in der Chemoprävention von Karzinomen. Um diese Synergieeffekte zu erreichen, werden nur sehr geringe Mengen benötigt, während größere Mengen wiederum die Wirkung verschlechtern (Kim et al., 2002, Hora et al., 2003; Mehta et al., 2004; Kohno et al., 2004). Wie es scheint, ist auch hier „mehr“ nicht besser, sondern schlechter. Das sensible Öl wird leicht ranzig und dürfte dabei seine Wirkung verändern oder verlieren.

Die Rinde, Wurzel

und in Spuren auch die Schale enthalten neurotoxische Alkaloide wie Pelletierine, die hochwirksam gegen Bandwürmer und andere Darmparasiten sind. In der Literatur wird auch von Todesfällen durch Abkochungen aus der Rinde berichtet (Squillaci und Di Maggio, 1946).

Die Blätter

enthalten hohe Konzentrationen einzigartiger Flavonoide wie Apigenin, das Gestagen-ähnlich (Zand et al., 2000) und anxiolytisch wirkt (Paladini et al., 1999). Die Flavonoide der Blätter wirken anti-cancerogen, anti-entzündlich und anti-oxidativ (z. B. Zheng et al., 2005; Way et al., 2005; Czyz et al., 2005).

 

Anti-oxidative Wirkung

Freie Radikale werden heute häufig für die Entstehung von Zellschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Alterungsprozessen verantwortlich gemacht. Oxidativer Stress ist bewiesenermaßen ein starker, aber unspezifischer Faktor in der Genese entzündlicher und neoplastischer Prozesse. Sogenannte Antioxidantien werden daher nicht selten als Allheilmittel angepriesen.

Im Gegensatz zu Obst und Gemüse haben isolierte Antioxidantien wie beta-Karotin, Vitamin C und E jedoch in Studien bisher die Erwartungen enttäuscht. Beta-Karotin hat bei Rauchern sogar die Entstehung von Lungenkrebs gefördert. Grund hierfür liegt wohl darin, dass die Neutralisierung freier Radikale ein komplexer Vorgang ist, der eine Vielzahl natürlicher Antioxidantien und vor allem das Zusammenspiel mit dem körpereigenen Enzymsystemen (z. B. Glutathionperoxidase) erfordert. Auch können konzentrierte, hochdosierte Antioxidantien und auch bestimmte Polyphenole proxidativ wirken (Lee, 2006).

In vielen Veröffentlichungen werden die überragenden anti-oxidativen Eigenschaften des Granatapfels hervorgehoben. Die anti-oxidative Wirkung im Menschen ist wissenschaftlich gesichert, wenn auch nicht geklärt ist, ob diese vor allem direkt oder indirekt über die Stimulierung körpereigener Enzymsystem erfolgt. Nach 1-wöchigem Verzehr von täglich 50 ml Granatapfelsaftkonzentrat (verdünnt auf 250 ml Saft) verbesserte sich der Gesamt-Antioxidantien Status (TAS) bei Menschen um 9% (Aviram, 2000). Nach einjährigem Verzehr der gleichen Mengen stieg der Gesamt-Antioxidantien Status um 130% (Aviram, 2004). Hierbei scheinen Metaboliten der Granatapfelinhaltsstoffe, die u. a. durch die Verstoffwechselung in der Darmflora entstehen, eine wichtigere Rolle zu spielen als die eigentlichen chemischen Verbindungen im Granatapfelsaft (Cerda, 2004). Daher besteht auch zwischen in vitro Labormessungen der anti-oxidativen Kraft (z. B. TEAC-Test) und der tatsächlichen anti-oxidativen Kraft des Granatapfels im Organismus nur ein indirekter Zusammenhang. Dennoch sind die Laborwerte beeindruckend und sollen kurz diskutiert werden.

Mit Hilfe des TEAC-Test (Trolox Equivalent Antioxidative Capacity) kann die antioxidative Kapazität einer Probe gemessen werden. Bei der Messung dient das Vitamin-E-Derivat Trolox als Referenz, weswegen das Ergebnis in Trolox-Äquivalenten angegeben wird. Der TEAC-Wert wird beim Vergleich polyphenolhaltiger Proben herangezogen. Anhand einer Farbreaktion wird photometrisch gemessen, wie effektiv das verwendete Antioxidans (z. B. Granatapfelsaft) in der Lage ist, das freie Radikal (ABTS) zu eliminieren. Beim Vergleich der TEAC-Werte ist vor allem auf die absoluten Werte in mmol zu achten.

Granatapfelsaft enthält wesentlich mehr anti-oxidative Schutzstoffe als Rotwein, Grüntee, Cranberry, Blaubeer-, Noni- oder Orangensaft. Hochwertige US-Granatapfelsäfte haben nach Gil und Kollegen (2000) in vitro eine 3-4 mal so hohe anti-oxidative Kraft (20 mmol/l im TEAC-Test) wie Rotwein und Grüntee (6-8 mmol/l). Gil untersuchte auch die antioxidativen Pflanzenstoffe des Granatapfelsaftes in vitro. Dabei zeigten sich als die wesentlichen antioxidativen Komponenten Punicalagin (9,9 mmol TEAC) und andere Tannine (6,2 mmol TEAC), während die Ellagsäure nur 0,5 mmol TEAC zur antioxidativen Kraft des Saftes beitrug. Doch sind die anti-oxidativen Laborwerte nicht direkt auf den menschlichen Organismus übertragbar, denn hier dürfte es weniger um eine direkte anti-oxidative Wirkung gehen, als vielmehr um eine positive Beeinflussung der körpereigenen anti-oxidativen Enzymsystem (Moskaug, 2005).

Die anti-oxidative Potenz des Granatapfels zeigt sich praktisch im antioxidativen Schutz von Herz, Gefäßen, Gehirn und Nervensystem: So zeigte sich in einer Studie von Loren und Kollegen aus dem Jahr 2005, dass Mäusebabys, deren Mütter mit Granatapfelsaft gefüttert wurden, über 60% weniger Hirnschäden infolge von Sauerstoffmangel bei der Geburt davon trugen als die Kontrollgruppe. Sauerstoffmangelbedingte Hirnschäden infolge der Zellschädigung durch freie Radikale spielen bei Neugeborenen und bei Schlaganfällen eine große Rolle.

In vivo wurden auch starke anti-oxidative Schutzwirkungen auf Leber gegenüber dem Oxidans Eisen-Nitrilotriacetat (Kaur et al., 2006) und auf die Magenschleimhaut gegenüber Alkohol und Acetylsalicylsäure (Ajaikumar, 2005) festgestellt.

Alzheimer-Demenz und Morbus Parkinson sollen neben einer genetischen Disposition durch oxidativen und nitrosativen Stress, eine Fehlfunktion der Mitochondrien sowie Entzündungsprozesse (über NF-kappa-B und TNF-alpha) verursacht werden. Hartman und Kollegen (2006) zeigten, dass Granatapfelsaft neuroprotektiv wirkt: er reduziert im Gehirn von Mäusen die Ablagerung von Beta-Amyloid um die Hälfte und senkte deutlich das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Diese Wirkungen lassen sich nicht allein durch eine direkte anti-oxidative Wirkung der Polyphenole begründen und weisen daraufhin, dass Granatapfelsaft und seine Konzentrate Zellsignalwege, Enzymsysteme sowie die Expression und Regulation von Genen beeinflussen. So wurde gezeigt, dass Granatapfelextrakt die Produktion und Expression von TNF-alpha in entzündungsaktivierten Mikroglia-Zellen des Gehirns hemmt (Jung et al., 2006). Die Wirksamkeit von Biologicals (TNF-alpha-Blocker) auf den Verlauf der Alzheimer-Demenz wird gerade in klinischen Studien erprobt und bestätigt.

Die besondere protektive Wirkung von Frucht- und Gemüsepolyphenolen konnte auch in einer prospektiven Studie mit 1838 Teilnehmern im Zeitraum von 1992 bis 2001 gezeigt werden. Die Gruppe, die mindestens 3 mal pro Woche einen polyphenolreichen Obst- oder Gemüsesaft getrunken haben, hatte im Vergleich zu der Gruppe, die weniger als einmal wöchentlich ein solches Getränk zu sich nahmen, ein 75% niedrigeres Risiko, an M. Alzheimer zu erkranken. Der Verzehr der Vitamine E, C und beta-Karotins sowie Tee zeigte keinen Einfluss (Qi Dai et al., 2006).

 

Anti-entzündliche Wirkung

Die akute Entzündung ist eine lebenswichtige Immunantwort. Sie dient dazu, Krankheitserreger zu zerstören und Wunden zu heilen. Wenn der komplexe entzündliche Prozess jedoch chronifiziert und entgleist, soll dies auch zum Herzinfarkt, zu Krebs, Diabetes, M. Alzheimer und zahlreichen Auto-Immunerkrankungen führen.

Die Auswirkungen chronischer inflammatorischer Prozesse sind komplex und können hier nur angerissen werden: Jede Entzündung führt zu oxidativem und nitrosativem Stress, da sich die Immunabwehr zytotoxischer freier Sauerstoff- und Stickstoff-Radikaler bedient. Auf Dauer führt dies zu einer Erschöpfung des körpereigenen Antioxidantienreserven. Diese sind aber insbesondere für den Schutz und die Energiegewinnung der Mitochondrien absolut essentiell. Der Dauerstress führt unter anderem zur Fehlregulation von Transskriptionsfaktoren (NF-kappaB), Veränderungen der Zellsignalwege, Genregulation und Genexpression sowie des Immunsystems (z. B. TH1-TH2-Shift; King et al., 2006).

Der Transkriptionsfaktor NF-kappaB (nuclear factor kappa-B) ist ein zentraler Mediator des Immunsystems, der insbesondere in Entzündungsprozessen, der Krebsentstehung und dem Fortschreiten der Krebserkrankung involviert ist. Er wird z. B. durch Stress, Zigarettenrauch, freie Radikale und Entzündungen aktiviert und reguliert die Expression von fast 400 verschiedenen Genen, wie pro-entzündlichen Enzymen (z. B. COX-2, 5-LOX, and iNOS), Zytokinen (TNF-alpha, IL-1, IL-6, IL-8) und vielen anderen pro-entzündlichen und pro-cancerogenen Molekülen. Auch bei allen auto-entzündlichen Prozessen spielt er nach neuen Erkenntnissen eine zentrale Rolle.

Granatapfelsaft und fermentierte Saftpolyphenole weisen eine deutliche anti-entzündliche Wirkung auf. Hierbei dürfte die Aktivierungshemmung von NF-kappa-B, die in 9 Studien nachgewiesen wurde, eine zentrale Rolle spielen (Khan et al., 2007-I und II, Sved et al., 2006; Huang et al., 2005; Ahmed et al., 2005; Afaq et al., 2005-I und II; Schubert et al., 1999 und 2002). In einem aktuellen Review von Lansky und Newman wird die Prävention und Therapie von Entzündungsprozessen und Krebs ausführlich behandelt (Lansky und Newman, 2007).

Der Eicosanoidstoffwechsel spielt durch die Synthese verschiedener Zytokinmuster entweder zu einem pro-entzündlichen und pro-cancerogenen Milieu (z. B. Konversion von Arachidonsäure aus tierischen Fetten und omega-6-Fettsäuren) oder anti-entzündlichem Milieu (omega-3-Fettsäuren aus Leinöl, Rapsöl und Fisch). Der Granatapfel greift an verschiedenen Stellen modulierend in den Eicosanoidstoffwechsel ein: So hemmen Granatapfelpolyphenole und Öl in PC-3-Prostatakarzinomzellen die Phospholipase A2, welche die Freisetzung der Arachidonsäure katalysiert. Fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole hemmen nicht nur die Aktivierung von NF-kappa-B und Entzündungsmediatoren (TNF-alpha und Proteinkinasen), sondern auch die pro-entzündlichen Schlüsselenzym-Systeme des Eicosanoidstoffwechsels, Cyclooxygenase und Lipooxygenase (Schubert et. al, 1999). Der Einfluß von Granatapfelöl auf COX und LOX waren noch ausgeprägter. Viele der von COX (insbesondere COX2) und LOX erzeugten Zytokine wie z. B. Prostaglandin E2, fördern nicht nur Entzündungsprozesse, sondern auch das Tumorzellwachstum. Im Tierexperiment hemmten Granatapfelsaftextrakt die Expression von Cyclooxygenase 2 (Afaq et al., 2005-2). In Kolonkarzinomzellen wurde mit Granatapfelsaft der gleiche Effekt festgestellt (Adams et al., 2006).

Herkömmliche COX-Hemmer hemmen die Prostazyklin-Synthese und haben daher unerwünschte kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Granatapfelsaft dagegen fördert in Endothelzellen der Aorta die Synthese des protektiven Prostazyklins (PGI2) (Polagruto et al., 2003).

Durch das anti-entzündliche Fettsäurenspektrum dürfte der Verzehr von frischen omega-3-Fettsäuren synergistisch mit Granatapfelsaft wirken; gut bewährt haben sich z. B. die Leinöl-Quark-Diät von Johanna Budwig und das konzentrierte Präparat Regenerat.

Bei der rheumatoiden Arthritis wird u. a. der Gelenkknorpel durch entzündliche Prozesse geschädigt und zerstört. Ahmed und Kollegen (2005) zeigten, dass Granatapfelsaft in Chondrozyten MAP-Kinasen und NF-kappaB blockiert und damit die Synthese von Metalloproteasen senkt, die wesentlich für die Knorpelzerstörung in den Gelenken verantwortlich sind.

Im Tiermodellversuch der Kollagen-induzierten Arthritis konnte Granatapfelextrakt den Ausbruch und Schweregrad der Arthritis lindern. Die mit Granatapfelextrakt gefütterten Mäuse litten im geringeren Ausmaß unter Knochen- und Knorpeldegeneration als die Kontrollgruppe. Die Infiltration inflammatorischer Zellen sowie die Ausschüttung von Interleukin-6 konnte durch Granatapfelextrakt vermindert werden, was nach Ansicht der Autoren auf eine Beeinflussung von entzündlichen Signalwegen und der zellulären Signaltransduktion zurückzuführen ist (Shukla et al., 2008 a).

Die gleiche Gruppe (Shukla et al., 2008 b) hat nachgewiesen, dass das Plasma von Kaninchen, die mit einem gefriergetrocknetem Granatapfelsaftpulver gefüttert worden waren, ex vivo die Aktivität der COX-Enzmye, wobei COX-2 stärker als COX-1 inhibiert wurde, und in vivo die IL-1b-induzierte Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) und Prostaglandin E2 (PGE2) in Chondrozyten hemmte.

Antivirale und anti-mikrobielle Wirkung

Die antivirale und anti-mikrobielle Wirkung des Granatapfels wurde in drei Studien belegt. Der Saft enthält Stoffe, die wirkungsvoll die Bindung und den Eintritt von HIV-1 Viren in CD4- und CXCR4/CCR5-Helferzellen verhindern (Neurath, 2004 und 2005). Bei Schalenextrakten ist eine Wirkung gegen Plasmodien, verschiedene Bakterien (Reddy et al., 2007) und Influenza-Viren (Vidal et al., 2003) nachgewiesen.

Anti-arteriosklerotische Wirkung

Arteriosklerose ist eine Volkskrankheit. Entzündungsprozesse, Schaumzellen, endotheliale Dysfunktion mit verminderter NO-Produktion, oxidiertes LDL-Cholesterin, Fibrosierung und Verkalkung führen über Plaquebildung zur Verengung und Verhärtung der Arterien mit zunehmender Durchblutungsverschlechterung. Letztlich führt die Arteriosklerose zum Gefäßverschluss: d.h. Herzinfarkt, Hirnschlag oder Absterben einer Extremität. Es hat sich in vitro, in vivo und in kontrollierten klinischen Studien gezeigt, dass Granatapfelsaft auf verschiedensten Wegen diesen Prozessen vorbeugen und sogar entgegenwirken kann.

Eine randomisierte Doppelblind-Studie wurde 2005 im renommierten Journal of Cardiology von Sumner und Kollegen veröffentlicht. Bei 45 Personen mit fortschreitender Koronarer Herzkrankheit, die 3 Monate lang täglich 240 ml Granatapfelsaft (aus Konzentrat) tranken, verbesserte sich unter Belastung die Durchblutung des Herzmuskels in der Myokardszintigraphie um 17%, während er sich in der Kontrollgruppe um 18% verschlechterte. Die Anzahl der Angina Pectoris Anfälle halbierte sich.

Im Jahr 2004 publizierte Michael Aviram eine randomisierte, placebo-kontrollierte Studie mit 19 Teilnehmern, die über 3 Jahre lief. Bereits nach einjährigem Genuss von täglich 50 ml Granatapfelsaftkonzentrat (1:5 auf 250 ml Saft verdünnt) verminderten sich bei den Teilnehmern die Dicke von Intima und Media (IMT) der Halsschlagader um 35%. Durch die Abnahme der arteriosklerotischen Ablagerungen verbesserte sich die Durchblutung der Karotis deutlich. Dagegen nahm in der unbehandelten Kontrollgruppe die Dicke der Gefäßwand durch weitere Ablagerungen um 10% zu. Nach 14 Wochen sank das LDL-Cholesterin, und das HDL-Cholesterin stieg an. Die Aktivität eines wichtigen Gefäß-Schutzfaktors, der Paraoxonase, wurde um 83% gesteigert.

Bluthochdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Gefäßerkrankungen wie KHK und pAVK, Herzinfarkt und Schlaganfall. Innerhalb eines Jahres sank im Schnitt der systolische Blutdruck um 21%. Diese hervorragende Wirkung beruhte auf einer Senkung der Aktivität des Angiotensin converting Enzyms (ACE) um 36%.

Nach Genuß des Granatapfelsaftes sank die Oxidation des LDL-Cholesterins im Blut um 90%. Im Laborversuch vermindert Granatapfelsaft die Oxidation des LDL-Cholesterins sogar um 96%, einem Orangen-Karotten-Saftgemisch gelingt dies z. B. nur zu 8%. Besonders das oxidierte LDL-Cholesterin fördert die Arteriosklerose, indem es deutlich die Produktion von protektivem Stickoxid (NO) reduziert und Entzündungsprozesse unterhält, die durch Plaquerupturen direkt einen Gefäßverschluß (Infarkt) bewirken können.

In der pro-inflammatorischen Pathogenese der Arteriosklerose spielen Makrophagen eine zentrale Rolle. Die im Blut zirkulierenden Vorläuferzellen (Monozyten) durchwandern das Endothel und lagern als Makrophagen in der Media oxidierte Lipide und Cholesterinester ein. Hierbei verwandeln sie sich in sogenannte Schaumzellen. Pathogenetisch spielen oxidativer Stress, gestörte Schubspannung, kleinste Gefäßschäden, mikrobieller Befall der Läsion (z. B. durch Chlamydien), oxidiertes LDL-Cholesterin sowie TNF-alpha und NF-kappaB eine zentrale Rolle. Granatapfelpolyphenole wirken direkt als Antioxidans und indirekt über Zellsignalwege diesen Mechanismen entgegen, was sich in einer deutlichen Reduktion von Peroxiden und deutlichen Erhöhung an reduziertem L-Glutathion in den Schaumzellen widerspiegelt.

Die Senkung der intrazellulären Cholesterinspiegel der Schaumzellen geschieht nicht über eine statin-gleiche Hemmung der HMGCoA-Reduktase, sondern durch eine verminderte Aufnahme und vermehrte Ausscheidung oxidierten Cholesterins sowie eine verminderte Biosynthese (Fuhrmann, 2005).

Als ein wichtiger Pathomechanismus für die Lokalisierung von arteriosklerotischen Ablagerungen (Plaques) gelten lokale Unterschiede in den mechanischen Kräften. Diese Prädilektionsorte der Arteriosklerose finden sich z. B. im Bereich von Bifurkationen der Blutgefäße, wo nebeneinander turbulenter Blutfluß, Blutstase und Stagnation herrschen (Cunningham, 2005). Die Strömungen und Verwirbelungen führen zu einer gestörten Schubspannung und beschleunigen den Prozess der Arteriosklerose, indem sie oxidationssensible Gene (ELK-1, p-CREB, p-JUN) aktivieren und die Produktion protektiven Stickoxids durch die Downregulation von eNOS und NOSIII senken. Granatapfelsaft wirkt effektiv diesen Mechanismen (deNigris, Ignarro et al., 2005, 2007; Ignarro et al., 2006) entgegen.

Stickoxid (NO) ist ein für die Gefäßgesundheit essentieller Botenstoff, der auch Wirkgrundlage für die wichtigsten Medikamente der KHK-Therapie ist. NO wirkt anti-entzündlich, neutralisiert freie Radikale und verhindert die Oxidation von LDL-Cholesterin. Es verhindert die Aggregation von Thrombozyten und Blutzellen am Endothel und wirkt so dem arteriosklerotischen Gewebeumbau in der Gefäßwand entgegen.

Louis Ignarro, Nobelpreisträger und Entdecker des Stickoxids als Botenstoff, publizierte im Jahr 2006, dass Granatapfelsaft durch anti-oxidative Mechanismen die biologische Wirksamkeit und Wirkdauer des NO stark erhöht.

Auch wirkt Granatapfelsaft der verminderten Expression von endothelialer NO-Synthase (NOSIII) entgegen, die durch oxidiertes LDL in Endothelzellen der Herzkranzgefäße verursacht wird. Dadurch steht dem Gefäß wieder mehr protektives NO zur Verfügung (deNigris und Ignarro, 2006).

Entzündungsprozesse spielen in der Pathophysiologie der Arteriosklerose und der koronaren Herzerkrankung eine zentrale Rolle, denn sie führen zur Plaqueentstehung, -progression und schließlich -instabilität, welche sich klinisch als stabile KHK oder akutes Koronarsyndrom (ACS: instabile Angina pectoris, Nicht-ST-Hebungsinfarkt und ST-Hebungsinfarkt) präsentieren. Dem ACS liegt pathomorphologisch die rupturierte oder erodierte Plaque mit Thrombusbildung zu Grunde, die zur Ischämie und Nekrose der Herzmuskelzellen führt, begleitet von einer diffusen myokardialen und vaskulären Entzündung (Trepels et al., 2004). In der Prävention des ACS und nach einem überlebten Mykoardinfarkt könnte die bereits dargestellte anti-inflammatorische Wirkung des Granatapfelsafts eine wichtige Rolle spielen: So hemmen fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole in Endothelzellen die Aktivierung von NF-kappa-B sowie TNF-alpha (Schubert et al., 2002).

Ausblick: Das C-reaktive Protein hat sich in den letzten Jahren als wichtiger Prädiktor für einen Herzinfarkt erwiesen. Untersuchungen der anti-entzündlichen Wirkung des Granatapfels in Bezug auf eine Senkung des Entzündungsmarkers CRP stehen noch aus. Auch wären Studien über eine mögliche anti-arrhythmische Wirkungen von Granatapfelsaft erfolgversprechend.

herz-kreislauf-granatapfel
Zusammenfassung der anti-arteriosklerotischen Mechanismen:
  1. Neutralisierung von freien Radikalen durch  direkte und indirekte anti-oxidative Wirkung
  2. Senkung des Blutdrucks durch ACE-Hemmung (bei  70% der Patienten: Aviram, 2004)
  3. Reduktion der Thrombozyten-Aggregation (11%  Reduktion beim Menschen nach 2 Wochen; Aviram, 2000), verstärkte  Prostazyklin-Synthese in Endothelzellen (Polagruto, 2003)
  4. Reduktion des Gesamt-Cholesterins und  LDL-Cholesterins bei Diabetikern (Esmaillzadeh, 2006)
  5. 90% Reduktion der Oxidation von  LDL-Cholesterin sowie Steigerung der Paraoxonase 1 Aktivität um  83% innerhalb eines Jahres (Aviram, 2004)
  6. Effekte auf Makrophagen (Schaumzellen):  Ausgeprägte Reduktion von intrazellulärem oxidativem  Stress, Erhöhung des intrazellulären L-Glutathion s,  Reduktion von Peroxiden und oxidiertem LDL-Cholesterin (Rosenblat,  2005; Fuhrmann 2005; Aviram 2004; Rosenblat 2003, Kaplan 2001)
  7. Aktivierungshemmung von NF-kappa-B und Hemmung  von TNF-alpha in Endothelzellen (Schubert et al., 2002)
  8. Deutliche Verbesserung der NO-Aktivität  durch Synthesesteigerung und anti-oxidative Stabilisierung (deNigris  2005 und 2007; Ignarro 2006)
Anti-cancerogene Wirkung

Granatapfelsaft, fermentierte Granatapfelpolyphenole und in eingeschränkter Weise Schalenextrakte zeigten in Studien an Zellkulturen, Tieren und Menschen eine überzeugende Hemmung von Karzinogenese (Initiation, Promotion, Progression), Wachstum und Invasion durch anti-angiogenetische, redifferenzierende, anti-proliferative, pro-apoptotische Effekte auf die Krebszelle. Hierfür verantwortlich ist das natürliche Zusammenspiel von anti-entzündlichen, anti-oxidativen, phytohormonellen sowie das Immunsystem, Epigenom und die Zellsignalwege modulierenden Inhaltsstoffen der Frucht. Ein wichtiger Ansatzpunkt dürfte die anti-inflammatorische Wirkung sein, da chronische Entzündungsprozesse in der Karzinogenese eine zentrale Rolle spielen. Fermentierte Granatapfelpolyphenole scheinen hierbei eine überlegene Bioaktivität aufzuweisen. Trotz einer großen Vielzahl präklinischer Untersuchungen gibt es bislang nur eine kontrollierte klinische Studie mit allerdings eindrucksvollen Ergebnissen.

Prostatakrebs 

Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebsart des Mannes und ein typisches, meist langsam wachsendes Alterskarzinom. Nicht nur Betroffene mit „low risk“ Karzinomen, die sich für „active surveillance“ (aktives Beobachten) entschieden haben, sondern auch Männer mit PSA-Rezidiven nach Primärtherapie wünschen häufig ihren Gesundheitszustand aktiv durch Veränderungen ihrer Lebens- und Ernährungsweise zu verbessern. Granatapfelpolyphenole verfügen hierbei über vielseitige antikanzerogene Wirkmechanismen.

Vervierfachung der PSA-Verdoppelungszeit in klinischer Studie

In einer Phase-2-Studie führte die Verwendung von Granatapfelsaft zu einer beinahe vierfachen Verlängerung der PSA-Verdoppelungszeit (Pantuck et al., 2006). Die Studie wird derzeit unter Beteiligung des National Cancer Instituts in verschiedenen Krebszentren in den USA als placebo-kontrollierte Phase-III-Studie mit 250 Teilnehmern fortgeführt, die Ergebnisse sind 2010 zu erwarten.

Alle Patienten hatten trotz vorheriger Prostataektomie oder Bestrahlung ein PSA-Rezidiv. Die PSA-Verdoppelungszeit wird immer häufiger als wichtiger Surrogat-Biomarker für die Mortalität beim Prostatakarzinom nach Operation oder Bestrahlung angesehen. 94% der Teilnehmer hatten einen mittleren Gleason-Score von 5-7 sowie keine nachgewiesene Metastasierung.

Während im Vorfeld der Studie die durchschnittliche Verdopplungszeit der Patienten bei 15 Monaten lag, verlängerte in der Studie der tägliche Konsum von 240 ml Granatapfelsaft (570 mg Polyphenole) die Spanne auf 54 Monate.

Zum Endpunkt der 33-monatigen Studienzeit nahmen noch 46 Männer an der Studie teil. Bei 83 Prozent bewirkte Granatapfelsaft einen absoluten PSA-Abfall oder eine signifikante Verlangsamung der PSA-Verdoppelungszeit. Unter den Respondern gab es große Unterschiede in der Wirkung: Während die PSA-Verdoppelungszeit vor Studienbeginn 15,6 Monate (+/- 10,8 Monate, Median 11,5 Monate) betrug, verlängerte sie sich während der Studie auf 54,7 Monate +/-102 Monate (Median 28,7 Monate, P<0,001). Insgesamt erreichten 16 Patienten (35%) einen Abfall des PSA-Wertes um durchschnittlich 27%, 4 davon hatten einen PSA-Abfall über 50%. Keiner der Studienteilnehmer entwickelte eine Metastasierung in der Studienzeit von 33 Monaten. Eine reine Maskierung des PSA-Werts ist sehr unwahrscheinlich. So hatten bei gesunden Männern ohne Prostatakrebs Granatapfelsaft und Ellagsäure keinen Einfluss auf den PSA-Wert. Studienleiter Allan Pantuck macht vor allem die antioxidativen und antiinflammatorischen Effekte der Granatapfelpolyphenole für die erfreulichen Wirkungen in der Studie verantwortlich, über die seinerzeit weltweit in vielen Tageszeitungen berichtet wurde.

Verglichen mit den Ausgangswerten bei Studienbeginn bewirkte das Serum der Krebskranken ex vivo eine 12% Reduktion des Wachstums in LNCaP-Prostatakrebszellkulturen (84% Responder). In Zellkulturen verursachte das Serum eine durchschnittliche Erhöhung der Apoptose um 17,5% (75% Responder).


Wirkung auf andere Krebsarten

Ein internationales Forscherteam (Kim et al., 2002a) fand heraus, dass fermentierte Granatapfelsaft-Polyphenole Brustkrebs vorbeugen und die Therapie von Brustkrebs unterstützen können. Denn sie hemmen die krebsfördernde Wirkung und die Bildung körpereigenen Östrogens. Bei (ER+) Brustkrebszellen führten fermentierte Granatapfelsaft-Polyphenole zu einer Wachstumshemmung von 80 %, ohne eine negative Wirkung auf normale Zellen zu zeigen. Dabei zeigten die fermentierten Granatapfelsaft-Polyphenole die doppelte Wirksamkeit wie der frische Saft.

Aus einer Studie von Lansky und Kawaii (2004) ging hervor, welche hervorragenden Eigenschaften fermentierte Granatapfel-Polyphenole noch besitzen: Leukämiezellen konnten sich mit ihrer Hilfe wieder zu gesunden Zellen zurückbilden (Redifferenzierung) oder wurden in den programmierten Selbstmord (Apoptose) getrieben. Zudem verhindern sie die Schaffung neuer Blutgefäße (Neoangiogenese), was dem Tumor seine Ausbreitung sehr erschwert. Schalenextrakte erwiesen sich hingegen hier als wirkungslos (Toi et al., 2003). Weitere Studien zeigen Wirkungen gegen Darm- und Hautkrebszellen.

In zwei Studien aus dem Jahr 2007 reduzierte der gefriergetrocknete Granatapfelsaft bei Mäusen mit Lungenkrebs die Tumormasse um 62% (nach 140 Tagen) und 66% (nach 240 Tagen) im Vergleich zur Kontrollgruppe. An humanen Lungenkrebszellen wurden ähnliche Effekte festgestellt, wobei gesunde Zellen nicht beeinträchtigt wurden.

Erhebliche Response-Unterschiede aufgrund der Bioverfügbarkeit

Die ganz erheblichen interindividuellen Wirkunterschiede (in vivo und ex vivo) sind wohl nicht nur auf eine unterschiedliche Tumorbiologie zurückzuführen, sondern auch auf die individuell sehr unterschiedliche Bioverfügbarkeit der Granatapfelpolyphenole. Auch in Bioverfügbarkeitsstudien wurden erhebliche individuelle Unterschiede festgestellt, die auf die Zusammensetzung der Darmflora zurückgeführt wurde (Cerda et al., 2004). Die biologische Wirkung des Saftes ist zum Großteil den aglykonen Metaboliten der Darmflora zuzuschreiben, nicht der direkten Wirkung von Polyphenolen im Saft. Ellagitannine sind mengenmäßig die wichtigsten Polyphenole des Granatapfelsafts. Daher sind besondere Ellagitannin-Metaboliten, die sogenannten Urolithine, wahrscheinlich von großer Bedeutung.

Östrogene und antiöstrogene Wirkungen

Urolithine haben eine hohe Affinität zum proliferativ wirksamen Östrogenrezeptor  (ER) und können schon bei sehr niedrigen Konzentrationen antiöstrogen und antiproliferativ wirksam sein (Larosa et al., 2006). Auch von der Ellagsäure (Ausgangsstoff der Urolithine) ist übrigens eine SERM (Selective Estrogen Response Modifier)-artige Wirkung als Antiöstrogen bekannt (Papoutsi et al., 2005). Mäusen oral verabreichte Urolithine reichern sich vor allem in der Prostata an, gefolgt von Kolon und Darmgewebe. Ihre Xenograft-Prostatakarzinome werden gehemmt. Ellagsäure und – deutlich wirkungsvoller – die Urolithine hemmen in vitro das Prostatakrebszellwachstum (Seeram et al., 2007).

Im Granatapfelsaft sind auch verschiedene Phytoöstrogene wie z.B. Kaempferol, Quercetin, Naringenin und Luteolin vorhanden (Kim et al., 2002). Mengenmäßig sind die Urolithine besonders wichtige Einzelstoffe. Jedoch dürfte letztlich die Synergie aller Pflanzenstoffe (wie auch Gallussäure, Tannine, Anthocyane) für die besondere Gesamtwirkung des Granatapfels verantwortlich sein.

Durch Lebendfermentation lassen sich Bioverfügbarkeit und Bioaktivität steigern.Die Stoffwechselleistung fermentativer Mikroorganismen ersetzt zum Teil eine mangelhafte humane Metabolisierung, indem die hochmolekularen Granatapfelpolyphenole in niedermolekulare, lipophile, besser resorbierbare Metabolite transformiert werden. Die krebshemmende Wirkung fermentierter Granatapfelsaft-Polyphenole war in Studien ausgeprägter als bei unfermentierten Zubereitungen.

Bei der Hemmung der Proliferation und Invasion von hormonabhängigen und hormonrefraktären Prostatakrebszellen erwies sich der fermentierte Granatapfelsaft gegenüber unfermentiertem deutlich überlegen (Albrecht et al., 2004; Lansky et al., 2005-I und II). Im Vergleich zu Frischsaft bremsten fermentierte Granatapfelpolyphenole doppelt so stark das Wachstum von Brustkrebszellen, hemmten die Schlüsselenzyme Aromatase und 17ßHSD und dadurch die Östrogen-Biosynthese im Fettgewebe (Kim et al., 2002), was sowohl für Mamma- als auch Prostatakarzinome von Bedeutung ist. In fermentierter Form konnten Granatapfelpolyphenole die Neoangiogenese effektiv vermindern (Toi et al., 2003) sowie Leukämiezellen zur Redifferenzierung bringen und die Apoptose induzieren (Kawai et al., 2004).

Diabetiker profitieren übrigens doppelt von fermentierten Granatapfelprodukten, denn durch die Fermentation wird der fruchteigene Zucker drastisch reduziert.

Wirkungen beim hormonrefraktären Prostatakarzinom

Die zunehmende Androgen-Unabhängigkeit von Prostatakarzinomen unter Hormonblockade stellt ein großes therapeutisches Problem dar und führt zur Entstehung besonders aggressiver Karzinome. Die Androgen-Unabhängigkeit ist oft Folge eines mutierten, hypersensitiven oder überexprimierten Androgenrezeptors und einer verstärkten Bildung von Enzymen, die in der Krebszelle aus Cholesterin Androgene synthetisieren.

Aktuellen Untersuchungen zufolge können Granatapfelpolyphenole das Krebsgeschehen auch im hormonrefraktären Stadium beeinflussen:

  • Granatapfelpolyphenole drosseln die Expression des in diesem Stadium häufig überexprimierten Androgenrezeptors (Malik et al., 2005; Hong et al., 2008).
  • Granatapfelpolyphenole verringern die Bildung von Androgensynthese-Enzymen in hormonrefraktären Krebszellen (Hong et al., 2008).
  • Granatapfelpolyphenole senken intrazelluläre Cholesterinspiegel (Fuhrmann et al., 2005) und damit den Ausgangsstoff für die gesteigerte Androgen-Biosynthese.
  • Fermentierte Granatapfelpolyphenole hemmen das Krebswachstum von hormonrefraktären PC-3-Prostatakarzinomen in vivo und wirken in vitro bei hormonrefraktären PC-3 und DU145-Prostatakarzinomzellen antiproliferativ und antiinvasiv (Albrecht et al., 2004).
  • Die antiinflammatorische Wirkung der Granatapfelpolyphenole (Hemmung von NF-kappaB, COX-2, TNF-alpha und Metalloproteasen) ist in diesem Stadium besonders wichtig. 
Hemmung der Androgenrezeptor-Expression und Androgensynthese

In einer Studie der Universität von Wisconsin (Malik et al., 2005) hemmte ein gefriergetrocknetes Granatapfelsaftextrakt effektiv das Wachstum von hochaggressiven, hormonrefraktären PC3-Prostatakarzinomzellen und führte zur Apoptose. Bei androgenabhängigen Krebszellen wurde sowohl die Expression des Androgenrezeptors als auch die PSA-Produktion um 90% gedrosselt. Bei Mäusen wurden antikanzerogene Effekte bereits bei einer für den Menschen verzehrüblichen Menge erreicht: Der PSA sank deutlich, die Prostatakarzinome wuchsen signifikant langsamer als in der Kontrollgruppe und die mittlere Überlebenszeit verlängerte sich um 50%.Hong und Mitarbeiter veröffentlichten im Mai dieses Jahres folgende neue Perspektiven: In Prostatakrebszellen mit Überexpression des Androgenrezeptors (LNCaP-AR) hemmten Granatapfelpolyphenole die Expression des Androgenrezeptors. In diesen Krebszellen und in besonders aggressiven, hormonrefraktären DU-145-Prostatakarzinomzellen hemmten Granatapfelpolyphenole effektiv die Expression der Schlüsselenzyme der Androgen-Biosynthese. Damit könnten diese auch bei den schwer therapierbaren Androgen-unabhängigen Prostatakarzinomen mit überexprimierten Androgenrezeptor und hochregulierten Androgensynthese-Enyzmen wirksam sein und möglicherweise eine synergistische Kombination mit der Hormonblockade darstellen.

Dies ist besonders interessant, weil in metastasierenden Prostatakarzinomen bei chemisch oder chirurgisch kastrierten Männern alle Enzyme, die für die Synthese von Testosteron und Dihydrotestosteron (DHT) aus Cholesterin notwendig sind, verstärkt exprimiert werden. Auf diese Weise können diese Karzinome trotz sehr niedriger Androgen-Blutspiegel überleben (Montgomery et al., 2008).

Granatapfelsaftpolyphenole haben in einer klinischen Studie eine cholesterinsenkende Wirkung gezeigt (Esmaillzadeh et al., 2006) und senken in Makrophagen intrazellulär die Cholesterin-Spiegel durch verminderte Aufnahme, gesteigerte Ausscheidung und reduzierte Biosynthese (Fuhrmann et al., 2005). Damit geht den Krebszellen das für die Androgensynthese essentielle Cholesterin zum Teil verloren. In der Cholesterinsenkung sicherlich wirkungsvoller, aber auch nebenwirkungsreicher sind Statine, die zu einer signifikanten Risikoreduktion für das lokal fortgeschrittene und metastasierende Prostatakarzinom führen (Platz et al., 2006).

Wirkung auf Zellsignalwege, Genexpression und Genregulation

Heute geht man immer mehr davon aus, dass der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse durch eine Modulation der Zellsignalwege und des Epigenoms vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen kann (Milner, 2004 und 2006). Auch die besondere Wirkung der Granatapfelpolyphenole ist wohl auf komplexe Synergie-Effekte zurückzuführen: das natürliche Stoffgemisch kommuniziert – bildlich gesprochen – mit Zellen und Zellsignalwegen. Hierfür reichen vergleichsweise geringe Mengen aus, während für direkte chemische Wirkungen hohe Wirkstoffkonzentrationen im Gewebe erreicht werden müssen.

So zeigte die Forschergruppe aus Wisconsin in sechs Studien, wie gefriergetrocknetes Saftextrakt Krebs in vitro und in vivo hemmte, indem es Genregulation, Genexpression sowie vielfältige antikanzerogene Signalwege beeinflusste (Afaq et al., 2005a und b; Syed et al., 2006; Khan et al., 2007a und b; Malik et al., 2005):

Hemmung proliferativer, prokanzerogener Signalwege
  • durch Phosphorylierungshemmung von MAP-Kinasen, c-met, Akt-Kinase, Phosphatidylinositol-3-Kinasen (PI3K),
  • Aktivierungshemmung von mTOR
  • Hemmung von Markern der Zellproliferation (z. B. Ki-67 und PCNA)

Hemmung von Markern der Angiogenese (z. B. CD31 und VEGF)

Förderung der Apoptose durch Aktivitätssteigerung von Caspasen und Tumorsuppressorgenen (z. B. p53)

Regulation des Zellzyklus durch

  • Dosis-abhängige Arretierung des Zellzyklus in der G0-G1 Phase
  • Induktion der Gene WAF1/p21 und KIP1/p27, dadurch Hemmung zyklin-abhängiger Kinasen und Förderung der Zellregulation und Apoptose
  • Reduktion der Proteinexpression von Zyklin D1, D2 und E sowie der zyklin-abhängigen Kinasen (cdk2, cdk4, cdk6)
Initiale Hemmung der Entzündungskaskade durch NF-kappaB-Aktivierungshemmung

Die oben genannten Ergebnisse stammen überwiegend aus zwei Studien aus dem Jahr 2007, in denen Lungenadenome und -adenokarzinome bei Mäusen erzeugt wurden: Das gefriergetrocknete Granatapfelsaftextrakt reduzierte die Tumormasse um 62% (nach 140 Tagen) und 66% (nach 240 Tagen) im Vergleich zur Kontrollgruppe. An humanen A549-Lungenkarzinomzellen wurden ähnliche Effekte festgestellt, wobei gesunde Zellen nicht beeinträchtigt wurden.

Wie beschrieben, hemmen Granatapfelpolyphenole die Aktivität vieler proliferativ wirkender Proteinkinasen durch eine Phosphorylierungshemmung. Die Proteinphosphorylierung ist ein sehr wichtiger Kontrollmechanismus in der Signaltransduktion der Zelle. Beim hormonrefraktären Prostatakarzinom ist der PI3K/Akt-Signalweg aktiviert und führt häufig zu einer Phosphorylierung des Androgenrezeptors. Akt ist eine Serin/Threonin-Kinase, die das Überleben, die Proliferation und den Sterbezyklus der Zelle reguliert. In einer aktuellen Studie (McCall et al., 2008) zeigte sich, dass nur der phosphorylierte Androgenrezeptor mit einer verkürzten Überlebenszeit bei Patienten mit hormonrefraktärem Prostatakarzinom assoziiert war. Auch eine andere Studie zeigte, dass Akt insbesondere unter Hormonblockade unabhängig vom Androgenrezeptor das Überleben der Karzinomzelle ermöglicht. Unter Androgen-Entzug stimuliert die Krebszelle die Akt-Phosphorylierung und Aktivierung, um ihr Überleben auf diesem Androgen-unabhängigen Signalweg sicherzustellen (Mikhailova et al., 2008). Granatapfelpolyphenole hemmen sowohl die Akt- als auch die MAPK-Phosphorylierung und damit deren Aktivierung. Dies könnte auch die Ursache für eine Herabregulation des Androgenrezeptors sein.

Aufgrund der Eigenschaft von Granatapfelpolyphenolen, die Expression des Androgenrezeptors und androgen-synthetisierender Enzyme herabzuregulieren, bei Proteinkinasen eine Phosphorylierungshemmung und in Krebszellen die Apoptose insbesondere über eine NF-kappaB-Aktivierungshemmung zu fördern, könnte eine Kombination mit der Hormonablation sehr interessante Synergie-Effekte bewirken und die Bildung von Resistenzen verzögern. Dies muss sich noch in der klinischen Praxis bewähren.

Tumorzellinvasion

Circa 90% aller Krebskranken sterben an der Metastasierung. Ein zentraler erster Schritt ist die Proteolyse der extrazellulären Matrix durch Metalloproteasen. Granatapfelsaft hemmt diese Metalloproteasen (Ahmed et al., 2005). In Studien (Albrecht et al., 2004; Lansky et al., 2005a und b) zeigten fermentierte und unfermentierte Granatapfelpolyphenole sowie Samenöl eine drastische Hemmung der Tumorzellinvasion. Die Wirkung erfolgt bei hormonsensitiven (LNCaP) und hormonrefraktären (DU-145, PC-3) Prostatakarzinomzellen. Auch in vivo hemmten fermentierte Granatapfelpolyphenole signifikant das Wachstum von hormonrefraktären PC-3-Prostatakarzinomzellen (Albrecht et al., 2004).

Neoangiogenese

Fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole verhinderten in vivo effektiv die Neubildung von Tumorgefäßen, während Schalenextrakte sich als deutlich weniger wirksam erwiesen (Toi et al., 2003). In einer aktuellen Studie hemmte auch ein ellagitanninreiches Granatapfelextrakt die Angiogenese von Prostatakarzinomen in vitro (bei LNCaP-Zellen) und in vivo (Sartippour et al., 2008).

Mögliche Synergie zwischen Chemo- und Strahlentherapie mit Granatapfelpolyphenolen durch NF-kappaB-Aktivierungshemmung

Die antiinflammatorische Wirkung des Granatapfelsafts erfolgt u. a. über eine Hemmung der COX-2-, TNF-alpha-Expression, eine Hemmung von Metalloproteasen und eine Aktivierungshemmung von NF-kappaB (Shukla et al., 2008 b; Khan et al., 2007a und b, Syed et al., 2006; Huang et al., 2005; Ahmed et al., 2005; Afaq et al., 2005a und b; Schubert et al., 2002). NF-kappaB ist ein zentraler Transkriptionsfaktor, der die Expression von fast 400 verschiedenen proentzündlichen und z. T. prokanzerogenen Genen reguliert.

Insbesondere beim hormonrefraktären Prostatakarzinom geraten NF-kappaB-Inhibitoren zunehmend in den Focus der Forschung. NF-kappaB ist für die Kanzerogenese des Prostatakarzinoms in jedem Stadium von zentraler Bedeutung und wird umso wichtiger, je weniger Therapieoptionen verbleiben (Nonomura et al., 2008).

NF-kappaB wirkt als zentraler, initialer Signalweg der Entzündungskaskade dem nekrotischen und apoptotischen Zelltod auf direkte und indirekte Weise entgegen und ist ein entscheidender Faktor in der Immortalisierung von malignen Stammzellen. Der Zusammenhang zwischen NF-kappaB-Aktivierung und Therapieresistenz bei Chemo- und Strahlentherapie ist in Studien beobachtet worden. Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) ist inzwischen nachgewiesen, dass nur eine kleine Untergruppe der AML-Zellen mit einem Stammzell-Immunophänotyp in der Lage ist, Leukämie bei der Übertragung auf NOD/SCID-Mäuse auszulösen. Diese Zellen sind besonders chemo- und strahlenresistent. Diese Leukämiestammzellen wiesen als einzigen Unterschied eine konstitutive Aktivierung von NF-kappaB auf (Griffin, 2001).

Nach einer Studie von Lansky und Kawaii (2004) führten fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole bei HL-60-Leukämiezellen zur Redifferenzierung oder Apoptose. Der reine Frischsaft wies nur ein geringe redifferenzierende Wirkung auf. Die Redifferenzierung bestätigt die oben beschriebenen Zusammenhänge, dass sich normale Leukozyten nur durch NF-kappaB-Aktivierung von Leukämiezellen unterscheiden.

Die Radiotherapie ist eine der Säulen der Primärtherapie und verursacht eine strahleninduzierte NF-kappaB-Aktivierung, die zu einer Apoptoseresistenz der Krebszellen führen kann. Bei Prostatakarzinomen im hormonrefraktären Stadium spielt die palliative Chemotherapie mit Docetaxel eine wichtige Rolle. Eine erhöhte Entzündungsaktivität hier ist ein starker Prädiktor für ausgeprägte Nebenwirkungen, eine geringere Überlebensrate und ein vermindertes Ansprechen auf Docetaxel (Charles et al., 2006). Eine Entzündungshemmung könnte die Therapieresultate verbessern und Nebenwirkungen vermindern (Beer et al., 2008), positive Synergieeffekte von Entzündungshemmern und Taxanen sind in präklinischen Studien nachgewiesen (Olsen, 2005).

Allerdings ist die Kombination von Docetaxel und entzündungshemmenden, höher konzentrierten Granatapfelpolyphenolen nur unter ärztlicher Kontrolle empfehlenswert. Die Inaktivierung von Docetaxel erfolgt über das Enzym CYP3A4 der Cytochrom-P450-Familie, dessen Expression durch Granatapfelpolyphenole möglicherweise reduziert wird. Granatapfelpolyphenole können daher u. U. bei prädisponierten Patienten die Wirkspiegel von Docetaxel erhöhen.

Sicherlich ist die mögliche Synergie von Granatapfelpolyphenolen mit Strahlen- und Chemotherapie noch ein lohnenswertes und wichtiges Forschungsfeld. Denn zum einen dürften Granatapfelpolyphenole die Nebenwirkungen auf gesunde Zellen im Sinne eines Zellschutzes senken, zum anderen wirken sie der Apoptose-Resistenz der NF-kappaB-aktivierten Tumorzellen entgegen und machen sie für Strahlen- und Chemotherapie angreifbar.

Konzentrationssteigerung von NO und reduziertem L-Glutathion (GSH)

Granatapfelpolyphenole können als hochpotente in vivo Antioxidantien der Kanzerogenese entgegenwirken. Reduziertes L-Glutathion (GSH) ist das wichtigste intrazelluläre Antioxidans und für die Zelle absolut lebenswichtig. Zahlreiche entzündliche und neoplastische Erkrankungen gehen mit einer verminderten intrazellulären GSH-Konzentration einher. Dass Granatapfelsaft deutlich die intrazelluläre GSH-Konzentration steigert, wurde an Menschen in klinischen Studien gezeigt, so z. B. in Makrophagen (z. B. 71% GSH-Anstieg bei Diabetikern; Rosenblat et al., 2006), in arteriosklerotischen Karotis-Plaques (z. B. 250% GSH-Anstieg; Aviram, 2004).

Der Nobelpreisträger Luis Ignarro, der die Bedeutung von Stickstoffmonoxid (NO) für den menschlichen Organismus aufklärte, wies im Jahr 2006 nach, dass Granatapfelsaft die biologische Wirksamkeit und Wirkdauer von NO erhöht und das Molekülradikal gleichzeitig durch antioxidative Mechanismen stabilisiert (Ignarro et al., 2006). Bei Prostatakarzinom-Patienten stieg NO im Serum unter Granatapfelsaftkonsum durchschnittlich um 23% an (Pantuck et al., 2006).

In einer klinischen Studie stieg nach regelmäßigem Konsum von einem Glas Granatapfelsaft über ein Jahr der Gesamtantioxidantien-Status im Blut (TAS) um 130 % (Aviram et al., 2004).

Auch diese Effekte sind wohl mehr auf die epigenetische Wirksamkeit des Granatapfels zurück zuführen als auf die direkte antioxidative Wirkung.

Bindung potentiell prokanzerogener Metalle

Metalle wie Eisen, Kupfer, Chrom, Vanadium, Cadmium, Arsen und Nickel können in entsprechenden Konzentrationen die Kanzerogenese fördern, indem sie freie Radikale bilden und zu Mutationen führen (Valko et al., 2006). Die Werte von Kupfer im Serum scheinen bei vielen Krebsarten erhöht und korrelieren mit dem Erkrankungsrisiko (Wu et al., 2004) sowie dem Ausmaß des Karzinoms und der Prognose. Kupferwerte von Darm- und Prostatakrebskranken sind gegenüber Gesunden deutlich erhöht (Nayak et al., 2003). Kupfer wirkt zytotoxisch, erzeugt oxidativen Stress und chronische Entzündungsreaktionen u. a. über NF-kappaB und TNF-alpha (Kennedy et al., 1998; Persichini et al., 2006) und stimuliert die Bildung von Tumorgefäßen (Lowndes und Harries, 2005). Therapeutisch verhindern Chelatoren die Hemmung der Kupferaufnahme und reduzieren deutlich das Prostatakrebswachstum und die Neoangiogenese (Brewer et al., 2000).

Katechine und Phenolsäuren, wie sie auch im Granatapfel enthalten sind, bilden mit Kupfer einen Kupfer-Polyphenol-Komplex. Dieser scheint als Prooxidans zur Zellapoptose zu führen und so eine antikanzerogene Wirkung zu entfalten (Azmi et al., 2006; Malik et al., 2003). Da Kupfer vor allem im Krebsgewebe erhöhte Konzentrationen aufweist, könnte dies ein Grund für die selektive zytotoxische Wirkung des Kupfer-Polyphenol-Komplexes auf Krebszellen sein (Hadi et al., 2007). Insbesondere Prostatakarzinomzellen weisen hohe Kupferkonzentrationen auf und lassen sich z. B. durch einen Komplex von Kupfer und dem Antioxidans Pyrrolidindithiocarbamat (PDTC) gezielt abtöten (Chen et al., 2005).

Punicalagin, das mengenmäßig wichtigste Granatapfelpolyphenol, cheliert u. a. Kupfer und Eisen, ohne an DNS zu binden (Kulkarni et al., 2007). Auch das Punicalagin-Monomer, die Ellagsäure, zeigt ähnliche Wirkungen als Chelator von Kupfer (Shimogaki et al., 2000) und Nickel (Ahmed et al., 1999).

Während therapeutisch die hohe Kupferkonzentration in Karzinomen möglicherweise von Nutzen sein kann, ist es präventiv vorteilhaft, die Aufnahme von Kupfer als potentielles Prokanzerogen über die Ernährung (z. B. Wasserleitungen aus Kupfer, Amalgam-Füllungen mit hohem Kupferanteil, Nahrungsergänzungsmittel) gering zu halten.

Hemmung der Zytochrom-P450-Enzyme als chemopräventiver Mechanismus
Erhöhte Aktivität und Expression von Zytochrom (CYP)-Enzymen steigern die Giftungsrate von Prokanzerogenen, erhöhen damit das Erkrankungsrisiko und verschlechtern die Prognose. Pflanzenstoffe, die eine Hemmwirkung auf CYP-450-Phase-I-Enzyme bzw. eine aktivierende Wirkung auf entgiftende Phase-II-Enzyme besitzen, sind in der Chemoprävention von Bedeutung (Cavalieri et al., 2000; Jefcoate et al., 2000). Im Tierversuch an Mäusen ging nach 4-wöchiger Granatapfelsaftgabe der CYP-450-Gehalt in der Leber der Versuchstiere um 43% zurück. Zudem wurde eine Hemmung der Expression von CYP1A2 und CYP3A4 auf m-RNA-Ebene beobachtet (Faria et al., 2007).

Zytochrom-Hemmung und potenzielle Arzneimittelinteraktionen
Eine Zytochrom-Hemmung kann bei entsprechender Medikation und genetischer Disposition auch problematisch werden. Denn zahlreiche Zytochrom-Enzyme, (v.a. CYP3A4) sind eng in die Biotransformation von Arzneimitteln involviert, so dass deren Hemmung eine Wirkverstärkung bzw. -verlängerung bedeuten könnte.

Inwieweit Granatapfelpolyphenole klinisch relevante Arzneimittelinteraktionen verursachen, ist noch nicht hinreichend untersucht. Das Ausmaß scheint jedoch im Vergleich zu anderen Fruchtzubereitungen wie Grapefruitsaft gering zu sein. In einer Untersuchung an humanen Lebermikrosomen wurde die direkte Hemmwirkung von Granatapfelsaft auf das Schlüsselenzym CYP3A4 anhand der Midazolam-1`-Hydroxylierungsaktivität in humanen Lebermikrosomen gemessen. Hierbei zeigte Granatapfelsaft im Vergleich zu anderen Obstsäften nur eine sehr geringe Hemmwirkung. Die Hemmung wurde mit absteigender Intensität wie folgt gemessen: Grapefruit > schwarze Maulbeere > wilde Trauben > Granatapfel (Kim et al., 2006). Im bereits erwähnten Tierversuch war die Beeinflussung der Pentobarbital-induzierten Schlafzeit nicht signifikant (Faria et al., 2007).

Im Zellexperiment zeigte sich eine Hemmung von CYP3A und bei Ratten eine Veränderung der Pharmakokinetik von Carbamazepin (Hidaka et al., 2005).

Dagegen zeigte sich in einer Humanstudie keine Hemmung von CYP3A – im Gegensatz zu Grapefruitsaft: Die Pharmakokinetik von Midazolam blieb unverändert (Farkas et al., 2007).

In der Literatur wird von einem einzelnen Fall einer möglichen Interaktion mit Cholesterinsenkern berichtet. Der Patient, der Ezetimib und Rosuvastatin einnahm, litt möglicherweise bereits vor dem Konsum von 200 ml Granatapfelsaft an einer Myopathie (CK von 659 U/L). Statine und wohl auch Ezetimib können Myopathien und Rhabdomyolysen verursachen. Ob nun die beiden Cholesterinsenker selbst, deren Interaktion oder die zusätzliche Interaktion mit dem Granatapfelsaft für die Rhabdomyolyse des Patienten verantwortlich waren, ist aus dieser Einzelfallbeschreibung nicht ersichtlich (Sorokin et al., 2006).

Weiter relativiert wird dieser unklare Einzelfall durch die Tatsache, dass Granatapfelsaft in den USA bereits seit über 5 Jahren der populärste Gesundheitstrank ist und entsprechend reichhaltig auch von Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen und medikamentös behandelter Hypercholesterinämie konsumiert wird. Insgesamt dürfte daher die Interaktion von Granatapfelsaft mit Arzneimitteln, wenn überhaupt vorhanden, gering sein. Dennoch sind bei besonderer genetischer Disposition, Medikamentenkombinationen und Krankheitsgeschehen Arzneimittelinteraktionen z.B. mit Antiarrhythmika, Statinen, Kalziumkanalblockern, Immunsuppressiva, Taxanen oder Protease-Inhibitoren im Sinne einer Wirkungsverstärkung der Medikamente nicht ganz auszuschließen.

Mögliche Steigerung des antiproliferativen Östrogenrezeptor-ß-Agonisten 3ß-Adiol durch CYP-7B1-Hemmung

Die Regulierung des Prostataepithels basiert auf einem feinen Gleichgewicht von Proliferation und Differenzierung, die vor allem von Androgenen und Östrogenen über Androgenrezeptor (AR) und Östrogenrezeptoren α und β vermittelt werden. AR ist hauptverantwortlich für die Proliferation der Basalzellen und die sekretorische Aktivität des Prostataepithels, sein wichtigster Agonist ist Dihydrotestosteron (DHT). Die beiden Östrogenrezeptorsubtypen ER α und ER β erfüllen in der Prostata verschiedene Aufgaben: ER α wirkt im Stroma über die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren proliferativ auf das Prostataepithel; er ist auch in den Basalzellen der wichtigste Östrogenrezeptor mit proliferativer Funktion. ER β ist verantwortlich für die Hemmung der Proliferation und Förderung der Zelldifferenzierung des sekretorischen Prostataepithels. ER β senkt die Expression von AR und ER α.

3β-Adiol ist ein Abbauprodukt von DHT und in der Prostata der wohl wichtigste, endogene Ligand von ERβ. Nach dem berühmten ERβ-Entdecker Jan-Ǻke Gustafsson gleicht 3β-Adiol in der Prostata über ERβ mit seiner antiproliferativen, differenzierenden Wirkung den proliferativen Effekt von Östrogenen (am ER α und DHT (am AR) aus. Die Spiegel von 3β-Adiol in der Prostata werden durch die Expression der beiden Enzyme HSD17B3 (Bildung) und CYP7B1 (Abbau) reguliert.

Um den bisher unbekannten Effekt von Granatapfelpolyphenolen auf die Aktivität von CYP7B1 zu klären, gab der Autor eine Untersuchung bei Maria Norlin (Universität Uppsala, Department of Pharmaceutical Biosciences) in Auftrag.  Die Inhibition von CYP7B1 wurde anhand der 7α-Hydroxylierung von DHEA (Dehydroepiandrosteron) verfolgt. DHEA und 3β-Adiol sind Substrate von CYP7B1 und werden nach demselben Mechanismus inaktiviert. Ein Rückgang der DHEA-Hydroxylierung lässt also auch auf eine potentielle Inaktivierungshemmung von 3β-Adiol durch die Testsubstanz schließen. Als Vergleich wurden zusätzliche Inkubationen mit Ellagsäure durchgeführt. Dabei zeigte sich eine konzentrationsabhängige Hemmung der 7α-Hydroxylierung von DHEA (siehe Abb. 2) durch das gefriergetrocknete, fermentierte Granatapfelsaftpulver.

Die Ellagsäure zeigte überraschenderweise auch bei hohen Konzentrationen keine nennenswerte Hemmung, während das fermentierte Granatapfelpulver bis zu einer Konzentration von 0,025% (Masse/Volumen) wirksam war.

In Bezug auf Testosteron, Estradiol und DHEA wurden in der klinischen Studie von Allan Pantuck keine Veränderungen zwischen vor und nach Studienintervention festgestellt. Allerdings schließt dies nicht aus, dass es in der Prostata zu einer Anreicherung von Granatapfelwirkstoffen (vgl. Seeram et al., 2006) kommt, die lokal zu einer entsprechenden Hemmung der CYP7B1 und Konzentrationssteigerung von 3ß-Adiol führen, während sie aber nicht deutliche Änderungen der Serumspiegel von 3ß-Adiol und DHEA verursachen.

Sollte es auch in vivo zu der hier in vitro nachgewiesenen Hemmung der CYP7B1 kommen, würde dies über einen verminderten Abbau zur Konzentrationssteigerung von 3ß-Adiol führen und damit eine protektive, antiproliferative Wirkung im Prostataepithel ausüben – eine bisher nicht erkannte, aber wichtige neue Wirkungsweise von Granatapfelpolyphenolen.

Anticancerogene Wirkung durch besondere Monosubstanzen oder die Synergie aller Inhaltsstoffe im Saft?

In der Ernährungswissenschaft festigt sich auf der Grundlager zahlreicher epidemiologischer und klinischer Studien die Überzeugung, dass es bei den besonderen bewiesenen Effekten von Obst und Gemüse weniger um die Spitzenleistung einiger weniger isolierter Verbindungen geht, sondern um das additive und synergistische Zusammenspiel der natürlichen, über Jahrmillionen gereiften Stoffkombinationen in einer Frucht (z. B. Liu et al., 2004). Während isolierte pharmakologische Verbindungen meistens eine ausgeprägte Wirkung und ausgeprägte Nebenwirkungen haben, sind alt hergebrachte Früchte, Beeren und Heilpflanzen häufig (aber nicht immer) ausgeglichener und milder in der Wirkung. Ihr Geheimnis liegt in der Synergie. Pflanzen beeinflussen unsere Zellen und deren Gene über komplexe Signalwege. Hierbei „kommuniziert“ ein natürliches, seit Jahrmillionen fein auf einander abgestimmtes Orchester von Wirkstoffen mit der Zelle. Daher kann die richtige Mischung relativ kleiner, z. T. homöopathischer Dosen eine ausgeprägte positive Wirkung zeitigen. Wichtig sind hierfür auch die weitgehende Naturbelassenheit und naturgemäße Verarbeitungsprozesse.

Einseitige, auf bestimmte Verbindungen konzentrierte Extrakte haben eine andere Wirkung auf den Organismus. Der Verzehr von großen, nahrungsuntypischen Mengen isolierter Antioxidantien und Polyphenole kann schaden, da diese dann unter anderem pro-oxidativ wirken oder Zellsignalwege einseitig beeinflussen können (Moskaug et al., 2005). Hier besteht bekanntermaßen noch viel Forschungsbedarf.

Seit Ende der 90er Jahre erforscht der israelische Arzt Dr. Ephraim Lansky die besondere Wirkung des Granatapfels auf Entzündungsprozesse und Krebs. Lansky wies nach, dass es nicht um einzelne chemische Verbindungen im Granatapfel geht, sondern vielmehr um das Zusammenspiel und die gegenseitige Verstärkung (Synergie) der Gesamtheit der Inhaltsstoffe. Aus diesem Grund rät er in einer Publikation (2006) auch davon ab, auf Ellagsäure konzentrierte Präparate aus dem Samen und der Schale zu verwenden. In einer Studie aus dem Jahr 2005 zeigte er, wie z. B. verschiedene Inhaltsstoffe des Granatapfelsafts die Ausbreitung von Prostata-Krebszellen unterdrücken: Punicinsäure zu 70%, Luteolin zu 60%, Kaffeesäure zu 50%, Ellagsäure zu 60%. Im Sinne einer echten Synergie erreichte die Kombination der drei ersten Inhaltsstoffe bei gleicher Gesamtdosis eine Suppression von 95%. Die Zugabe von Ellagsäure verschlechterte überraschenderweise den Effekt (Lansky et al., 2005-II). Diese Effekte zeigen, wie schwierig das Zusammenspiel einer Stoffzusammensetzung, wie sie sich im Granatpapfel über Jahrmillionen entwickelt hat, pharmakologisch nachvollziehbar und vorhersehbar ist.

Die Ellagsäure ist eine Phenolsäure, die z. B. in Himbeeren, Erdbeeren oder auch reichlich in Holz (z. B. in Eichenfässern gelagerter Whisky) vorkommt und eine bisher nur in vitro nachgewiesene anti-oxidative, anti-carcinogene, anti-mutagene, anti-bakterielle und anti-virale Wirkung hat. Die hydrophobe Ellagsäure wird vom Körper nur schlecht resorbiert. Das besser bioverfügbare Punicalagin aus dem Granatapfel wird im Körper u.a. zu Ellagsäure hydrolysiert und steht so dem Organismus zur Verfügung. Ein Review von Vattem und Shetty (2004) geht davon aus, dass die Ellagsäure weniger über ihre direkte anti-oxidative Wirkung die Zelle schützt, sondern vielmehr Zellsignalwege (wie Pentose-Phosphat-Weg) und zelleigene anti-oxidative Enzymsysteme (wie z. B. reduziertes L-Glutathion durch GST-Steigerung) beeinflusst.

Das Ellagtannin „Punicalagin“ ist im TEAC-Labortest der anti-oxidative Hauptwirkstoff des Saftes (Gil et al., 2000), doch ist es zweifelhaft, dass es für die besonderen Wirkungen des Saftes beim Menschen den wesentlichen Beitrag leistet. Eine kalifornische Forschergruppe belegte in zwei Studien die besonderen Synergieeffekte des Saftes gegenüber Punicalagin, Ellagsäure und Schalen-Extrakten (Seeram et al., 2004; Adams et al., 2006): In der Studie von Seeram und Kollegen aus dem Jahr 2004 zeigte Granatapfelsaft gegenüber verschiedene Kolonkarzinom- und Prostatakarzinom-Zellarten eine deutlich bessere wachstumshemmende, apoptotische und antioxidative Wirkung als Punicalagin, Ellagsäure und Granatapfel-Extrakte. In einer Dosis von 12,5 mcg/ml verhinderte der Saft das Wachstum von oralen Plattenepithel-, Kolon- und Prostata-Karzinomzellen um 80% bis 100%, während eine identische Menge Punicalagin keine Wirkung auf das Wachstum von Kolonkarzinomzellen und oralen Plattenepithelkrebszellen zeigte und das Wachstum von Prostatakarzinomzellen um max. 70% hemmte (Saft zu 100%). Bei der 8-fachen Dosierung (100 mcg/ml) erreichte Punicalagin in den meisten Zelllinien nicht annähernd die Wirkung von 12,5 microgramm/ml Saft. In HAT-29-Krebszellen induzierte der Saft Apoptose in Mengen, in denen Punicalagin, Ellagsäure und tanninreiche Granatapfel-Extrakte wirkungslos waren. Der Saft zeigte auch gegen HCT-116 die bei weitem beste Wachstumshemmung, aber nur geringe apoptotische Wirkung, was auf eine pro- und anti-apoptotische Wirkung hinweist. Der Saft verhinderte deutlich besser die Oxidation von Lipiden als Punicalagin, Ellagsäure und Granatapfel-Extrakte. Diese Effekte wurden auf die besondere Synergie der natürlichen Stoffzusammensetzung des Saftes zurückgeführt.

Der Granatapfelsaft hemmt TNF-α induzierte COX-2-Expression (verbunden mit einer Förderung der Zellproliferation) in humanen Kolonkarzinomzellen. Granatapfelsaft war dabei wesentlich wirkungsvoller als ein Polyphenol-Extrakt aus Schale und als Punicalagin (Adams et al., 2006). Auch verhinderte Granatapfelsaft die TNF-α vermittelte Akt-Aktivierung, während Ellagsäure und Punicalagin wirkungslos waren. Die Akt-Kinase fördert Zellwachstum, Apoptose-Resistenz und die onkogene Transformation; sie spielt auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2. Schlussfolgerung der Studie von Adams: Die verstärkte Wirksamkeit des Granatapfelsafts gegenüber seinen extrahierten Ellagitanninen weist auf deutliche Interaktionen zwischen den verschiedenen bioaktiven Inhaltsstoffen des Saftes (Tannine, Flavonoide, Anthocyane) hin und unterstützt die These, dass die Extraktion eines Wirkstoffs (Punicalagin) oder einer Fraktion (Tannine) aus einem natürlichen Verbund die Gesamtwirkung verringert.

Der Leitsatz von Hippokrates „Eure Lebensmittel sollen Eure Heilmittel sein!“ basiert auf einem tiefen Naturverständnis und bewahrheitet sich immer mehr in der Ernährungsforschung. Hochwertige Nahrungs- und Gesundheitsmittel erhalten die natürliche Zusammensetzung und die Synergie der Inhaltsstoffe und zeichnen sich durch einen hohen Gehalt der wirksamen Pflanzenstoffe aus.

Bioverfügbarkeit – sind fermentierte Granatapfelpolyphenole besser?
Große Unterscheide in der individuellen Bioverfügbarkeit

Granatapfel ist zwar zur Zeit die Gesundheitsfrucht mit der größten Studienevidenz. Jedoch scheint nicht jeder Mensch gleichermaßen von dieser Wirkung zu profitieren. In der bisher einzigen und aufsehenserregenden Studie mit Prostatakrebspatienten hat sich herausgestellt, dass 83% der Studienteilnehmer auf Granatapfelsaft ansprachen und sich durchschnittlich die PSA-Verdoppelungszeit von 15 auf 54 Monate verlängerte. Unter diesen „Respondern“ gab jedoch es sehr deutliche Unterschiede in der Ausprägung dieser Wirkung, was sich an der großen Schwankungsbreite von 54 +/-102 Monaten zeigt (Pantuck et al, 2006). Diese hohe Schwankungsbreite lässt sich nicht allein durch die unterschiedliche Beschaffenheit des Tumors erklären, sondern ist auch auf individuelle Unterschiede in der Bioverfügbarkeit der Granatapfelpolyphenole zurückzuführen. Durch eine Steigerung der Bioverfügbarkeit z. B. durch Fermentation ließen sich vermutlich deutlich bessere Resultate bei Menschen erreichen, die Granatapfelpolyphenole mäßig oder gar nicht ins Blut aufnehmen können.

Biotransformation von Granatapfel-Polyphenolen

Im Granatapfel, wie in anderen Pflanzen, liegen die Flavonoide überwiegend in Zuckerbindung vor. Um resorbiert zu werden und ihre Wirkung zu entfalten, müssen diese Zuckerbindungen gespalten und die „zuckerfreien“ Polyphenole, welche vom Organismus leichter resorbiert werden, freigesetzt werden. Dies leistet im Wesentlichen die Dickdarmflora, teilweise werden die Glykoside auch bereits im Dünndarm durch ein spezielles Hydrolyse-Enzym gespalten. Jedoch 5% der Europäer und 90% der Afrikaner und Asiaten haben ein Mangel an diesem Enzym (Scalbert, Williamson, 2000).

Die mengenmäßig im Granatapfel besonders wichtigen Ellagtannine (hochmolekulare Ellagsäurepolymere) müssen erst enzymatisch in kleinere Moleküle wie Ellagsäure zerlegt werden. Dies findet größtenteils im Dickdarm durch die Stoffwechselenzyme der Darmbakterien statt. Ellagsäure ist schwer resorbierbar, so dass nur geringe Blutspiegel erreicht werden (Seeram et al., 2006). Daher muss sie von der Dickdarmflora erst weiter zu den so genannten Urolithinen umgebaut werden. Diese Verbindungen sind viel leichter resorbierbarer und an der krebshemmenden Wirkung des Granatapfels beteiligt, wie Untersuchungen an Brustkrebs- und Prostatakarzinomzellen gezeigt haben. (Seeram et al.,2007)

Insbesondere die antiöstrogene Wirkung von Urolithinen könnte bei Brust- und Prostatakrebs interessant sein (Larrosa et al., 2006).

Ob und in welchem Ausmaß die Urolithine nach dem Genuss von Granatapfelsaft entstehen, ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden. So zeigte sich in Bioverfügbarkeitsstudien mit Granatapfelpolyphenolen, dass die Serumkonzentrationen der Wirkstoffe bei verschiedenen Personen sehr stark schwankten (von 0 bis 18 mikroMol/l) und bei zwei der sechs Probanden nicht im Blut auftauchten. Dieses Phänomen wurde in erster Linie auf die individuelle Zusammensetzung der Dickdarmflora zurückgeführt (Cerdá et al., 2004; Cerdá et al., 2005).

Diese Ellagsäuremetaboliten sind aber wohl nicht alleine für die Wirkung verantwortlich, vielmehr beruht die Gesamtwirkung des Granatapfels auf der Synergie aller Granatapfelinhaltsstoffen (z.B. Gallussäure und Flavonoide wie Quercetin, Luteolin, Kaempferol).

Die Granatapfelpolyphenole unterliegen jedenfalls einem komplexen Metabolismus, der aus vielen, ineinandergreifenden Reaktionen besteht. Die individuelle Enzymausstattung sowie die Stoffwechselaktivität der Dickdarmflora, die je nach Beschaffenheit des Darmmilieus starke individuelle Unterschiede aufweist, haben also einen direkten und entscheidenden Einfluss auf die biologische Wirkung des Granatapfels.

Lebendfermentation verbessert Bioverfügbarkeit und Bioaktivität

Seit Jahrtausenden werden Fermentationsprozesse genutzt, um Lebensmittel verträglicher, haltbarer und genießbarer zu machen. Nebenbei treten außergewöhnliche gesundheitsförderliche Wirkungen auf. Das Französische Paradox ist der Begriff für die Beobachtung, dass Franzosen trotz oder wegen ihres regelmäßigen Genusses von Wein (=fermentierter Traubensaft) etwa drei Jahre länger leben als z. B. Deutsche oder Amerikaner und wenig Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. In Japan wird Soja, das bei japanischen Frauen und Männern für ein deutlich niedrigeres Brust- und Prostatakrebsrisiko als hierzulande mitverantwortlich sein soll, vor allem in fermentierter Form verzehrt (Miso). Der Sauerteig (Hefe und Milchsäurebakterien) im deutschen Brot macht das Getreide verdaulicher.

Je schwächer das Verdauungssystem, die enzymatische Ausstattung und das Darmmikrobiom ist, desto wichtiger ist die Vorfermentation von Lebensmitteln, weil dadurch ex vivo die Pflanzenstoffe aufgeschlossen und bioverfügbarer gemacht werden. Denn letztlich zählt nicht, was man isst, sondern, was auch tatsächlich aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden kann.

Probiotische Mikroorganismen können die fehlende Stoffwechselleistung zum Teil ersetzten, indem sie die enzymatische Umwandlung der schwer resorbierbaren Granatapfel-Polyphenole zu bioverfügbaren und bioaktiven Substanzen bewirken. Diese Mikroorganismen produzieren zudem bei der Fermentation neue Wirkstoffe, Enzyme, Vitamine, organische Säuren sowie Aromastoffe. Probiotische Mikroorganismen haben selbst sowohl in lebender als auch in inaktivierter Form eine immunmodulierende Wirkung.

Dass fermentierte Granatapfelpolyphenole tatsächlich besonders wirkungsvoll sind, konnte in einer Reihe von Studien gezeigt werden: In Brustkrebszelllinien zeigten fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole die doppelte Wirksamkeit wie frischer Granatapfelsaft bezüglich der Wachstumshemmung. Darüber hinaus hemmt fermentierter Granatapfelsaft die beiden Schlüsselenzyme Aromatase und 17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase und blockiert so die Östrogensynthese im Fettgewebe (Kim et al., 2002).

Bei Prostatakarzinomzellen (Kim et al., 2002, Albrecht et al., 2004; Lansky et al., 2005-I und II) wurde gezeigt, dass fermentierter Granatapfelsaft in seiner Wirkung auf die Hemmung der Tumorzellinvasion dem nicht-fermentiertem Granatapfelsaft überlegen war. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass Leukämiezellen durch fermentierten – nicht aber durch unfermentierten Granatapfelsaft in die Redifferenzierung oder Apoptose gebracht wurden (Kawai et al, 2004).

Auch die Neubildung von Tumorgefäßen konnte durch fermentierte Granatapfelsaftpolyphenole in vivo effektiv verhindert werden (Toi et al., 2003).

Lebendermentierte Granatapfelzubereitungen sind also nachweislich wirksamer als unfermentierte bzw. sind bei Personen mit Darmdysbiose oder mangelhafter Enzymausstattung überhaupt erst wirksam. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Durch die Fermentation werden auch die freien Zucker des Granatapfelmarks abgebaut, wodurch der Zuckergehalt extrem absinkt.

Überblick der Anti-Krebs-Wirkungen 
  1. Verringerung von Tumorwachstum und Ausbreitung
  2. Erhöhung der Selbstzerstörung von Tumorzellen, vermittelt durch Kaspasen und mitochondriale Signalwege
  3. Förderung der Redifferenzierung von Leukämiezellen
  4. Hemmung krebsfördernder Signalwege durch Phosphorylierungshemmung der MAP-Kinasen, c-met und AKT-Kinase sowie Aktivierungshemmung von mTOR
  5. Regulation des Zellzyklus durch Arretierung in der G0-G1 Phase, Induktion der Gene p21 und p27Kip1, Reduktion der Proteinexpression von Zyklin D1, D2 und E sowie der zyklin-abhängigen Kinasen
  6. Blockade von krebsfördernden Enzymen: Matrix-Metalloproteasen, Aromatase und 17-ß Hydroxysteroiddehydrogenase, Ornithindecarboxylase und CYP-Enzymen
  7. Verminderung der Tumorgefäßneubildung (Neoangiogenese)
  8. Regulation und Hemmung von entzündlichen Prozessen durch Hemmung von COX-2, NF-kappaB, TNF-alpha und Proteinkinasen wie MAPK
  9. Zellschutz gegenüber freien Radikalen durch antioxidative Wirkung und deutliche Erhöhung des Gesamt-Antioxidantien-Status, insbesondere GSH
  10. Bindung von potentiell krebsfördernden Metallen und Bildung von Metall-Polyphenol-Komplexen mit Anti-Krebswirkung
  11. Antiöstrogene Wirkung auf den krebswachstumsfördernden Östrogenrezeptor a; Hemmung der Östrogen-bildenden Schlüsselenzyme Aromatase und 17ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase; überwiegend antiöstrogene Wirkung bei Brustkrebszellen
  12. Möglicherweise Steigerung des wachstumshemmenden Östrogenrezeptor-ß-Agonisten 3ß-Adiol durch Cyp-7B1-Hemmung (in vitro)
  13. Hemmung der Bildung Androgen-bildender Enzyme und des Androgenrezeptors beim Prostatakarzinom
  14. Wahrscheinliche günstige Synergieeffekte mit Chemo- und Strahlentherapie durch NF-kappaB-Aktivierungshemmung und Durchbrechung der Apoptoseresistenz von Tumorzellen

Sowohl in der Prävention als auch in der adjuvanten Ernährungstherapie des Prostatakarzinoms spielen die Balance des Androgenrezeptors, der Östrogenrezeptoren alpha und beta, der Phase-1- und Phase-2-Entgiftungsenzymen sowie antioxidativen und insbesondere antientzündlichen Schutzsystemen sowie genetische Faktoren eine zentrale Rolle. In all diesen Bereichen entfalten Granatapfelsaft-Polyphenole eine günstige, protektive Wirkung.

Konsequenzen für die ärztliche Praxis
Insgesamt ist eine abschließende Beurteilung der Studienlage zu Granatapfelpolyphenolen gegenwärtig nicht möglich, wenn die Ergebnisse auch vielversprechend sind.
Eine Empfehlung von Granatapfelsaftpolyphenolen zur Prävention und adjuvanten Ernährungstherapie des Prostatakarzinoms ist jedoch gerechtfertigt. Besonders Männer, die keine kurative Behandlung wünschen, sondern lieber beobachtend abwarten (active surveillance), können durch solche alimentäre Maßnahmen und eine gesundes Lebensweise aktiv Verantwortung für den Verlauf ihrer Erkrankung übernehmen. In Abhängigkeit von der individuellen Tumorbiologie und Bioverfügbarkeit dürfte eine zum Teil deutliche Verlangsamung der Krebsprogression und positive Nebenwirkungen auf Herz und Gefäße zu erwarten sein, was bei einem Alterskarzinom einen Zugewinn von entscheidenden Lebensjahren bedeuten kann.

Positive Nebenwirkungen auf Herz und Gefäße
  • Signifikante Verbesserung der Myokarddurchblutung bei KHK-Patienten (Doppelblinde, placebo-kontrollierte, randomisierte Phase-2-Studie, Sumner et al., 2005)
  • Reduktion von arteriosklerotischen Gefäßablagerungen und Bluthochdruck (Placebo-kontrollierte, randomisierte Phase-2-Studie an Patienten mit Karotisstenose, Aviram et al., 2004)
  • antiatherogene und cholesterinsenkende Wirkung bei Diabetikern (ohne Einfluss auf HbA1c und Blutzucker) in klinischen Studien (Rosenblat et al., 2004; Rozenberg et al., 2006; Esmaillzadeh et al., 2006)
  • Granatapfelpolyphenole bewirken weder eine sichere Heilung noch ersetzen sie eine notwendige kurative Behandlung. Doch können sie Standard-Therapien wirkungsvoll ergänzen und wahrscheinlich in ihrem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil verbessern.

Qualität: Granatapfelprodukte weisen große Unterschiede in der Qualität und im Gehalt an wirksamen Polyphenolen auf. Dies betrifft nicht nur die Säfte (897 bis 4265 mg/l Polyphenole, Median 2288 mg/l nach Folin-Ciocalteu-Methode; Fischer-Zorn und Ara, 2007), sondern auch Granatapfelextrakte, wo die Polyphenole aufgrund der Hitzetrocknung häufig in hochpolymerisierter, oxidierter Form mit zweifelhafter Bioverfügbarkeit vorliegen. Vorzuziehen sind schonende Trocknungsverfahren wie die Gefriertrocknung.

Einnahmemenge: Zur Gesunderhaltung dürfte täglich ein halbes bis ein Glas Granatapfelsaft (ca. 280 – 560 mg/l Polyphenole als Gallussäure-Äquivalent) ausreichen. Bei bestehendem Prostatakarzinom sollte, wie in den Studien, mindestens 1 Glas/Tag (560 mg/l Polyphenole) getrunken werden, wobei fermentierte Polyphenole eine höhere Bioaktivtät aufweisen. Ob größere Mengen auch mehr bewirken, ist unklar. In der Prävention ist dies zu verneinen, beim Karzinom durch größere zytostatische Effekte durchaus denkbar. Hochdosierte, zytostatische Dosen von Polyphenolen sollten besser unter ärztlicher Kontrolle der Leber- und Nierenwerte eingenommen werden.

Die Bioverfügbarkeit von Polyphenolen ist am höchsten, wenn sie separat von den Hauptmahlzeiten verzehrt werden (Manach et al., 2004). In Milch sind Eiweißverbindungen enthalten, die Tannine binden. Dies kann sich möglicherweise negativ auf die Bioverfügbarkeit der Polyphenole auswirken.

In der Pantuck-Studie wurde bei 83% der Studienteilnehmer eine signifikante Verlangsamung des PSA-Anstiegs festgestellt. 15% der Teilnehmer hatten auch noch nach 24 Monaten einen absoluten PSA-Abfall. Da sich die Tumorbiologie im Laufe der Zeit, insbesondere auch unter Hormonblockade, verändert, können Wirkstoffe ihre Wirkung verlieren. Sollte daher nach einigen Jahren der PSA-Wert plötzlich deutlich schneller ansteigen, sollten andere Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Wird durch Granatapfelsaft keine Wirkung erzielt, sind fermentierte, bioaktivere Granatapfelpolyphenole eine zweite Option. (Allerdings ist bei neuroendokrinen Prostatakarzinomen auf PSA kein Verlass.) 

Resümee

Der Granatapfel ist die zur Zeit in klinischen Studien am besten untersuchte Frucht mit überzeugenden antikanzerogenen, antiarteriosklerotischen und immunmodulierenden Wirkungen. Die klinische und präklinische Datenlage rechtfertigt den Verzehr von Granatapfelsaftpolyphenolen in der adjuvanten Ernährungstherapie und Chemoprävention von Prostatakrebs. Neuste Forschungsergebnisse zeigen interessante Perspektiven bezüglich des hormonrefraktären Prostatakarzinoms auf. Granatapfelpolyphenole bilden möglicherweise eine sinnvolle, synergistische Ergänzung zu Standardtherapien. Sicher besteht noch viel Forschungsbedarf und sicher kann der Granatapfel keine gesunde Lebensweise und ausgewogene, pflanzenreiche Ernährung als die wichtigsten Schutzfaktoren vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ersetzen, doch liefert die aktuelle Forschung viele Gründe, warum der Granatapfel wohl mit Recht seit Jahrtausenden als ein Lebenselixier galt.

Anmerkung: Sehen Sie dazu auch die Videos auf der Unterseite Videos » 

Literatur beim Verfasser.


Eigene Literatur: 

  • Jacob LM (2007) Granatapfel: Prävention und adjuvante Ernährungstherapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. EHK 56:602-610.
  • Jacob LM (2007) Granatapfel: Prävention und adjuvante Ernährungstherapie bei Krebserkrankungen.
    EHK 56:464-473.
  • Jacob LM und Klippel KF (2008) Granatapfelpolyphenole gegen Prostatakarzinom, Deutsche Zeitschrift für Onkologie; 40:112-119
  • Jacob LM (2008) Granatapfel als Zellregulator, Komplement. integr. Med.; · 02/2008: 16-20